Bevor nächsten Samstag ein »Vorabendkonzert« und darauffolgenden Sonntag dann endlich das große »Eröffnungskonzert« der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele stattfinden werden, waren gestern – sozusagen in Vorfreude auf alles Kommende – zwei weitere Konzerte unter dem Dach der Musikfestspiele zu erleben. Wiewohl für den Dirigenten und (im zweiten Konzert) Pianisten Lahav Shani sicherlich eine ganz schön herausfordernde Doppel-Belastung, ergänzte sich das Konzertduo „große Mahler-Sinfonie in der Kreuzkirche“ und, nach einer dinnertauglichen Verschnaufpause, „feine Kammermusik in der Unterkirche der Frauenkirche“ zu einem denkwürdigen Abend, der mich fragen lässt, warum solche kürzeren, kombinationsfähigen Veranstaltungsformate eigentlich nicht öfter im Kulturprogramm großer Festivals auftauchen. Kann sich das Publikum doch viel besser eine auf die individuellen Wünsche und Möglichkeiten abgestimmte kulturelle Speisenfolge à la carte zusammenstellen, etwa mit den Kindern zu einem nicht zu langen Frühabendkonzert ohne Pause kommen oder, nach dem Ins-Bett-schmeißen, mit dem Partner noch zum Nachtkonzert pilgern.
Reizvoll war es auch, Mitglieder des momentanen und des designierten Orchesters Lahav Shanis an geteilten Pulten zu erleben. Pragmatisch tauschten die Konzertmeister nach dem zweiten Satz der »Sechsten Sinfonie« die Plätze, ohne dass ich übrigens hätte sagen können, ob sich an der Leitungsdynamik der Stimmgruppen etwas geändert hätte (dafür waren die Sätze ja auch zu verschieden). Nicht unproblematisch indes war das klangliche Ergebnis dieses völkerverbindenden Experiments. Bringt die hallige Kreuzkirche (noch mehr, wenn die erste Empore kaum verkauft ist) an sich schon selbst Orchester und Dirigenten, die mit ihrer Akustik erfahren sind, zur Verzweiflung, so potenzieren sich die Hürden natürlich an einem Abend, an dem Gastorchester hier musizieren. Allein die augenscheinlich grundverschiedene Vibrato-Philosophie der beiden Ensembles, für mich an den hinteren Erste-Geigen-Pulten exemplarisch abzulesen, ließ vermuten, dass der Dirigent nur minimale Vorbereitungszeit gehabt haben kann, die Werke mit dem Hybridorchester aus Israel Philharmonic und Münchner Philharmonikern zu arbeiten. Schließlich das Werk selbst: diese »Sechste« hat so viele trickreiche plötzliche Tempowechsel, Accelerandi, Rubati, so viele dynamische Kontrasteffekte zwischen verschiedenen Stimmgruppen und – als Höhepunkt – die Hammerschläge, die exactissimo auf den Punkt kommen müssen. Hier blieben am Freitag unterm Strich einfach zu viele Wackler, Holpler, Ungenauigkeiten und Rundungsfehler, als dass es eine wirklich außergewöhnliche Interpretation hätte werden können.
Dennoch, ein mutiger Auftakt, und nach einem Glas kanadischen Rieslings wie gesagt eine Fortsetzung nach Ortswechsel. Hier war es die heutige Stellvertretende Konzertmeisterin Saida Bar-Lev, einst Studentin von Tibor Varga, die eine Folge von drei „Hauptspeisen“ anmoderierte und hernach mit ihren Kollegen noch einen musikalischen Nachtisch servierte. Auch hier war der kluge konzertdramaturgische Anspruch an die Abfolge der Werke (die vergessene Pfitzner-Schülerin Ilse Fromm-Michaels, die unbedingt eine Wiederentdeckung verdiente, Viktor Ullmans 3. Streichquartett und Schostakowitschs Klavierquintett g-Moll) am Ende leicht höher, als die Interpreten klanglich einlösen konnten. Schwungvoll und eindringlich war das Nachtkonzertchen trotzdem. Die Nachricht ist angekommen: wer jetzt noch keine Karten für die Festspiele bestellt hat, spute sich!