Marek Janowski sagt ab und Christoph Eschenbach springt ein: Die Dresdner Philharmonie zeigt sich dennoch von ihrer besten Seite
Und warum hat Maestro Marek Janowski sein Wiedersehenskonzert mit der Dresdner Philharmonie nun tatsächlich abgesagt? Wir wissen es nicht. Die küchenpsychologische Suche nach den wahren Ursachen – offiziell wurden »persönliche Gründe« genannt – überlassen wir gern den geschätzten Federn vom Boulevard.
Fragen wir lieber, was es gebracht hat, dass vier Tage vor dem Konzert vom 6. September mitgeteilt wurde, »Marek Janowski muss absagen«? Zunächst mal ein Wiedersehen und -hören mit dem, wie es hieß, kurzfristig eingesprungenen Christoph Eschenbach. Quasi als Retter in der Not übernahm der fast auf den Tag ein Jahr jüngere Dirigent nicht nur das Konzert des 85jährigen Marek Janowski, sondern auch dessen bereits geprobtes Programm. Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21 eröffnete den Abend im gut gefüllten Konzertsaal des Dresdner Kulturpalastes.
Wir erinnern uns: Das Fehlen dieser Spielstätte, also einem Saal mit adäquater Akustik für einen Klangkörper von Ruf und Qualität der Philharmonie, veranlasste Marek Janowski 2003 schon einmal, Dresden den Rücken zu kehren. Man hatte ihm den Um- oder Neubau versprochen und das Wort nicht gehalten. So verprellt die Politik Spitzenkünstler. Nachtragend war der Dirigent jedoch nicht: als der Konzertsaal dann endlich doch geweiht werden konnte, war er wieder zur Stelle und lobte als neuerlicher Chefdirigent von 2019 bis 2023 den Raum in höchsten Tönen.
Auch Christoph Eschenbach, der zu Beginn der Saison als Chefdirigent der Philharmonie Wrocław in seine Geburtsstadt zurückgekehrt ist, ist damit in einer herausragender Spielstätte heimisch, dem 2015 eröffneten Nationalen Forum für Musik (NFM) Witold Lutosławski. Die Klangwelt von Dresdner Philharmonie und hiesigem Konzertsaal schöpfte er mit Beethovens sinfonischem Erstling zunächst nur behutsam aus, näherte sich dem Eröffnungssatz mit Vorsicht, Respekt und brachte so die sanglichen und tänzerischen Themen in der Folge zu aufblühender Entfaltung, um mit dem voller Wiederholungen steckenden Finale in – wohldosierter – Feierlichkeit zu münden.
Das Orchester, wenn auch in einzelnen Stimmgruppen nicht so glänzend aufgelegt wie neulich beim Antrittskonzert des designierten Chefdirigenten Donald Runnicles (insbesondere die Hörner zeigten kleinere Indifferenzen), schien die Zusammenarbeit mit Eschenbach zu genießen und folgte der von Altersweisheit geprägten Dynamik.
In Anton Bruckners 7. Sinfonie E-Dur, die nach der Pause und nun genau zwei Tage nach seinem in der gesamten Musikwelt gefeierten 200. Geburtstag erklang, praktizierte Christoph Eschenbach einen gestalterischen Zugang, der vom fast geflüsterten Beginn des Allegro moderato aus schon auf das kraftvolle Finale hin angelegt war. Immer wieder entluden sich feierliche Momente großer Innigkeit, die das Blech schmettern und das Holz betörende Farben setzen ließ, während die Streicher zunehmend mit schier sägewerkiger Schwerstarbeit für waldige Klangkulissen zu sorgen hatten.
Das Publikum war begeistert und feierte den sich so nobel gebenden Dirigenten sowie das Orchester für diesen Abend, der leider ein einmaliges Ereignis bleiben wird.
Die für März kommenden Jahres geplanten konzertanten Aufführungen von Richard Wagners Liebesdrama »Tristan und Isolde«, eigentlich ein Steckenpferd für die Arbeit von Marek Janowski, sind derzeit ohne musikalische Leitung annonciert – »aus persönlichen Gründen«.