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Erneuerungen und Erfrischungen

Jahrespresskonferenz von Saechsische Staatskapelle Dresden am 01.03.2018 in Glaeserne Manufaktur von Volkswagen in Dresden . Foto: Oliver Killig

Dresdens Hochkulturszene ist in diesen Monaten im Umbruch. Vielen der freistaatlichen und städtischen Kulturbetriebe stehen Wendepunkte bevor, inhaltlicherseits und personell werden sie sich in den nächsten Monaten neu erfinden. Gerade im Hinblick auf die Kulturhauptstadtbewerbung tut das „Durchlüften“ der etablierten Ansichten, das sich etwa der neue Gastdirigent der Semperoper, Omer Meir Wellber, auf die Fahnen geschrieben hat, sicherlich gut – aber auch von liebgewonnenen Ritualen, von einigen szenewichtigen Namen werden wir uns trennen müssen. Im Folgenden wagen wir einmal einen Überblick und verlinken Zahlen und Fakten.

Zwar sprach Orchesterdirektor Jan Nast diese Woche bei der Vorstellung des Jahresprogramms der Staatskapelle Dresden von den „üblichen Verdächtigen“, als es um die Gastidirigenten und Gastsolisten der Saison ging. Und auch durch die Vertragsverlängerung des Chefdirigenten Christian Thielemann bis 2024 scheint nach außen hin alles beim Alten bei dem Orchester, das dieses Jahr einen durchaus würdigen 470. Geburtstag feiern wird, und daneben den 100. „Namenstag“ – 1918 wurde die ehemalige „Königlich-sächsische musikalische Kapelle“ unter der Stabführung von Fritz Reiner in „Sächsische Staatskapelle“ umbenannt – leise ignoriert. Aber hinter den Kulissen gab es in den letzten Monaten einige personelle Rochaden. Auf den Orchesterdramaturgen Tobias Niederschlag folgt Dennis Gerlach (Foto). Gerlach und Valerie Seufert, die auf Matthias Claudi folgt, haben sich in Dresden in den letzten Wochen vorgestellt.

Marek Janowski bei einem Konzert der Dresdner Philharmonie in der Frauenkirche 2006 (Frank Höhler)

Eigentlich über die gesamte Zeit des Kulturpalast-Umbaus hatte sich der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling, schützend vor das Orchester gestellt, mit dem Stadtrat um Gelder gerungen, immer im Sinne der Kunst argumentiert. Seine Ernennung war offenbar allerdings auch von Beginn an umstritten gewesen. Der ehemalige Intendant Anselm Rose hatte sich noch vor Sanderlings regulärem Amtsantritt kritisch über die künstlerische Neuausrichtung des Orchesters geäußert, und auch aus dem Orchester selbst mehrten sich über die ersten Jahre leise, kritische Töne, denen Sanderling in der Presse stets entspannt Argumente entgegenzusetzen wusste. Als jedoch eine eigentlich höher angesetzte Etaterhöhung offenbar ohne weitere Absprache geringer ausfiel, sah Sanderling Ende 2016 einen günstigen Zeitpunkt gekommen und ließ mitteilen, dass er für eine weitere Vertragsverlängerung über 2019 hinaus nicht zur Verfügung stehe und Dresden verlassen werde – was wiederum seine Assistentin Alexandra MacDonald zum Anlass nahm, zur Staatskapelle zu wechseln. Die Philharmonie sprach sich im Herbst 2017 für den Vor-Vorgänger Marek Janowski als Nachfolger aus. Nun warten wir also – in einem akustisch inzwischen satisfaktionsfähigen Saal – auf die weiteren künstlerischen Impulse, mit denen sich die Philharmonie nach ihrer nicht eben ereignisarmen Geschichte* auf ihr 150jähriges Jubiläum im Jahr 2021 einstimmen wird.

Theilers Amtsvorgänger Serge Dorny schied bereits vor seinem Umzug nach Dresden wieder aus dem Amt (Foto: M. Creutziger)

Über die Ernennung des neuen Opernintendanten Peter Theiler nach den Querelen um seinen Vorgänger Serge Dorny wären ganze Abenteuerromane zu verfassen. Diese Stories wollen wir ruhen lassen; aber es muss doch erwähnt werden, dass dem änderungsscheuen Dresden schon wieder das nächste Ernennungs-Debakel zu drohen scheint. Ungewöhnlich und wenig statthaft: der ehemalige Musikhochschul-Rektor Wilfried Krätzschmar hatte als Mitglied der Findungskommission seine wenig schmeichelhafte Meinung über die designierte Operetten-Intendantin Kathrin Kondaurow öffentlich gemacht. Vor einigen Tagen begehrten nun auch noch die ‚alten weißen Männer‘ des Operetten-Freundeskreises auf. Mensch, Dresden. Lasst sie doch erst einmal zeigen, welche Perspektiven sie für das künstlerisch lahmende Haus entwickelt hat!

Der stufenweise Übergang der Schauspiel-Intendanz unter dem Dach der Sächsischen Staatstheater ging da vergleichsweise leise und geschmeidig vonstatten. Wie auch die erstmalige Ernennung eines künstlerischen Direktors an der Frauenkirche, dessen Handschrift wir so richtig erst ab 2019 lesen werden. Bis jetzt noch völlig skandalfrei agiert die designierte Intendantin des Europäischen Zentrums der Künste, Carena Schlewitt. Von der Neuausrichtung des Hauses ist bereits bekannt, dass Schlewitt das TONLAGEN-Festival wieder jährlich stattfinden lassen und einen künstlerischen Schwerpunkt auf Osteuropa legen will. Wie bei jedem Intendantenwechsel sind auch in Hellerau Einschnitte in die über die Jahre gewachsene Personalstruktur zu erwarten. Viele bekannte Namen des Jaenicke-Teams haben das Schiff bereits verlassen, etwa Katja Zehrfeld (sie ging zur HfBK) und Victoria Esper (zur Philharmonie). Die kaufmännische Direktorin Sabine Stenzel geht – wie Tulga Beyerlenach Hamburg. Jaenicke selbst wechselt, wie er vor einem knappen Jahr mitteilte, nach Düsseldorf.

Kreuzkantor Kreile verlässt den Kreuzchor 2022. (Foto: Archiv)

Eine wichtige Personalie sei noch vom Kreuzchor nachgetragen: auf den Chordirigenten Peter Kopp, der 22 Jahr lang (!) den Chor künstlerisch prägte (manche sagen: stilistisch deutlicher als der Kreuzkantor selbst) folgte letztes Jahr ohne großes öffentliches Tamtam der Dirigent Wolfgang Behrend. Eine Lesart dieses Wechsels: wenn Roderich Kreile 2022 nach Süddeutschland zieht, wird es bei der Neubesetzung der Kantorenstelle sicherlich keine „Hausberufung“ geben; das könnte Kopp bei seinem Wechsel abgewogen haben.

Mit einer ziemlich verunglückten Geschichte wollen wir den Kreis schließen: in aller Stille hatte sich die Musikhochschul-Rektorin Judith Schinker letztes Jahr von Dresden wegbeworben, war allerdings mit ihrer Bewerbung schließlich gescheitert. Bereits kurz nach Ihrer Wahl waren harsche hausinterne Differenzen öffentlich geworden, und es war Schinker in den folgenden Monaten auch nicht gelungen, Ihr Haus zu befrieden. Mit ihrer heutigen E-Mail-Mitteilung (6. März) kam die glücklose Rektorin einer vermutlichen Abwahl durch den Senat nur wenige Minuten zuvor. In ihrer Begründung heißt es, es sei ihr nicht gelungen, mit einigen Kollegen zu einer „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zu finden. „Leider ist es mir nicht gelungen, eine Mehrheit des Kollegiums auf diesem Weg mitzunehmen“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Ich habe mich daher entschieden, die Verantwortung für die Leitung des Hauses in andere Hände zu legen.“

Der Autor ist im Rahmen von Honoraraufträgen für die Dresdner Philharmonie (*Texte, Moderationen, Interviews), die Sächsische Staatskapelle (Interviews, Social Media Projekte, Texte), den Kreuzchor (Programmheft-Texte), die Staatsoperette (Moderationen, Texte, Interviews), das Europäische Zentrum der Künste Hellerau (Vorträge, Texte, Projektleitung), der Frauenkirche (PR und Texte), die Musikhochschule (Moderationen) und die Dresdner Musikfestspiele (Moderationen, Texte, Interviews) tätig gewesen.

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