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Psychologisch analysieren, stücktreu erzählen

Harry Kupfer, gestorben am 30. Dezember 2019 in Berlin, hat die künstlerische Prägung des Sächsischen Staatstheaters als Chefregisseur und Operndirektor in den Jahren 1972-81 maßgeblich beeinflusst. Auch seine von großer künstlerische Präzision geprägte Dresdner Schaffenszeit, verbunden mit einer den Kolleginnen und Kollegen entgegengebrachten respektvollen Wärme und Liebe, sind in Dresden unvergessen.

Die sich aus der konkreten Konzeption heraus entwickelnden Arbeiten des Felsenstein-Erbes, die auf psychologisch-analytische Grundlage heraus stücktreu erzählen und sich durch perfekte Personenregie auszeichnen, haben dem realistischen Musiktheater im deutschsprachigen Opernbetrieb zu seiner historischen Nachhaltigkeit verholfen. Das moderne Regietheater ist in seiner heutigen Form erst durch Harry Kupfers klare, prägnante, seine politische Dimension niemals verleugnende Ästhetik denkbar. Über seinen weltweit prägenden Einfluss auf die Regiesprache hinaus ist Dresden dem Grandseigneur der Opernwelt auch für die eigene Positionierung in der Rangliste internationaler Top-Opernhäuser zu großem Dank verpflichtet. Seine nahezu 30 Inszenierungen in über drei Dekaden, darunter vier Uraufführungen und neun Erstaufführungen wie unter anderem die Uraufführung von Udo Zimmermanns »Der Schuhu und die fliegende Prinzessin«, Rainer Kunads »Vincent« oder die DDR-Erstaufführung von Arnold Schönbergs »Moses und Aron«, haben dazu beigetragen, das Renommee der Dresdner Oper in der internationalen Kulturlandschaft zu etablieren.

Peter Theiler, seit der Spielzeit 2018/19 Intendant der Semperoper Dresden, verbindet mit der Regiesprache Harry Kupfers eine ganz persönliche Erfahrung, die seine Leidenschaft für die Oper mitgeprägt hat: „An der Frankfurter Oper sah ich in den 80er Jahren als junger Regieassistent von Ruth Berghaus, einer weiteren Grande Dame des Regietheaters von anderer ästhetischer Empfindung zu Kupfer, meine erste Kupfer-Inszenierung mit der Wiederaufnahme von Alban Bergs »Lulu«. Diese einem konträrem künstlerischem Ansatz folgende Interpretationsmöglichkeit, sollte einen starken Eindruck vom außerordentlichen künstlerischen Wirken Harry Kupfers bei mir hinterlassen.“ Die erste Premiere unter Peter Theilers Dresdner Intendanz mit »Moses und Aron«, inszeniert von Bieito Calixto, mag aus heutiger Sicht auch als späte Referenz an die Leistung Harry Kupfers in Dresden gesehen werden: Eine Reverenz an den Künstler, unter dessen Ägide die Dresdner Oper zu DDR-Zeiten in die internationale Beachtung rückte, und dessen Dresdner Arbeiten die Grundlage für ein programmatisches Bekenntnis zu Werken von Künstlern wie Schönberg, Korngold oder Ligeti schufen.

Harry Kupfer war Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Freien Akademie der Künste in Hamburg und der Sächsischen Akademie der Künste in Dresden sowie Professor an der Hochschule für Musik »Carl Maria von Weber« in Dresden. Sein künstlerisches Schaffen umfasst 220 Inszenierungen weltweit.

(mit Material der Sächsischen Staatstheater)

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