Die ersten Interviewanfragen von »Musik in Dresden« waren von ihr wegen „immenser Arbeitsbelastung“ abgelehnt worden. Man solle bitte in drei Monaten (!) noch einmal nachfragen. Judith Schinker wollte nach ihrer überraschenden Wahl und dem empörten Rücktritt des Hochschulrates wohl erst einmal Luft holen, sich sammeln und die über diesem Wahlergebnis tief gespaltene Hochschule durch gute Arbeitsergebnisse wieder einen. Allein: die Ergebnisse blieben nach drei Monaten aus. Die guten Entwicklungen, die Judith Schinker heute in einer nur Minuten vor ihrer drohenden Abwahl hastig von ihrem persönlichen E-Mail-Account versandten Pressemeldung noch einmal gesondert herausstellte, gehen nach der Einschätzung vieler Hochschulangehöriger auf die Arbeit ihres Vorgängers Ekkehard Klemm zurück – beziehungsweise waren einfach an der Tagesordnung, wie etwa „die Bestellung einer neuen künstlerischen Direktorin des Sächsischen Landesgymnasiums“. Überhaupt passt die E-Mail heute morgen ins Bild ihrer Amtsführung. So knapp und an der Grenze zur Unhöflichkeit unpersönlich wie diese Mail blieb ihr Kontakt zu den Medien insgesamt, während ihrer gesamten zweieinhalbjährigen Amtszeit. Eine Hochschule, die international die besten Studenten gewinnen und herausragende Lehrkräfte binden will, kann und darf so einfach nicht geführt werden.

Wer heute lamentiert, das Amt und die Musikhochschule seien durch Judith Schinkers Rücktritt beschädigt, der ist schlecht informiert. Das Amt und die Musikhochschule waren vom Zeitpunkt ihrer Wahl an beschädigt. Die Aufgabe ihres Nachfolgers oder ihrer Nachfolgerin wird daher nicht vordergründig sein, „die Interessen künstlerischer, pädagogischer und wissenschaftlicher Studiengänge ausgewogen zu berücksichtigen“, wie Judith Schinker das in ihrer Pressemeldung formuliert – eine Aufgabe jedenfalls, an der sie scheiterte. Der Auftrag wird sein, die Dresdner Musikhochschule nach einem personellen Total-Desaster, einer „Implosion„, wie es die Sächsische Zeitung formulierte, durch fleißige, unermüdliche Überzeugungsarbeit nach innen und nach außen wieder zu festigen, auf einen erfolgreichen, zukunftssicheren Kurs zu trimmen und das Kapitel „Judith Schinker“ damit irgendwann hinter sich zu lassen.



