Die Staatsoperette Dresden lädt zum »Ball im Savoy« ein. Dieses Werk des jüdischen Komponisten ist hier seit mehr als einem Dreivierteljahrhundert nicht mehr erklungen.
Das alte Haus ist abgebrannt. Die einstige Spielstätte der Staatsoperette Dresden gibt es nicht mehr. Die vermeintliche Kulturstadt hatte weder eine Idee, wie diese geschichtsträchtige Immobilie künftig genutzt, noch eine Lösung gefunden, wie sie vor bildungsfernem Vandalismus geschützt werden könne.
Heute spielt das umtriebig singende, spielende, tanzende und musizierende Gesamtensemble der Staatsoperette im einstigen Kraftwerk, das zwar nicht Kulturkraftwerk genannt werden darf, aber dennoch jede Menge kultureller Kraft ins Leben dieser Stadt zu stemmen vermag. Dort wird nun pünktlich zum Sommeranfang zur Premiere »Ball im Savoy« geladen.
Diese Jazzoperette von Paul Abraham wurde gut 75 Jahre lang nicht mehr in Dresden gezeigt. Ihre Uraufführung erfolgte am 23. Dezember 1932 in Berlin, kurz vor Weihnachten also und nur fünf Wochen vor der Machtergreifung Adolf Hitlers. Bald darauf musste der aus einer ungarisch jüdischen Familie stammende Komponist Deutschland verlassen und galt seine jazzige Musik nach dem Verständnis der gleichschalterischen Nazi-Blockwarte als »entartet«. Abraham emigrierte später in die USA, konnte aber nie wieder an seine früheren Erfolge – u.a. mit »Viktoria und ihr Husar« sowie »Die Blume von Hawaii« – anknüpfen und starb nach einem tragisch verlaufenen Leben mit vielerlei Entbehrung und Krankheit 1960 in Hamburg.
Höchste Zeit also für den Versuch einer späten Wiedergutmachung. Also möglichst nicht nur den schmissigen »Ball« auf die Bühne zu hieven, sondern auch der Lebens- und Arbeitsumstände des Komponisten zu gedenken, was durchaus ein Erinnern an Freiheits- und Kulturverluste durch das Leben reglementierende Schurkensysteme beinhalten sollte.
Musikalisches Feuerwerk
Die Musik ist fast hundert Jahre alt, wirkt aber mitreißend, spritzig und unterhaltsam, „ein Ohrwurm nach dem anderen“, schwärmt Kapellmeister Christian Garbosnik. „Das wurde einfach politisch unterbunden“, empört sich der stellvertretende Chefdirigent. Er hat die musikalische Leitung des »Ball im Savoy« inne. „1932 ist das Stück in Berlin uraufgeführt worden, da waren die Gebrüder Rotter mit beteiligt. Eigentlich sollte es dann 1933 nach Dresden kommen, wo de Gebrüder Rotter auch das Centraltheater und das Residenztheater in ihren Händen hatten.“ Der Musiker kann sich noch heute über die Machtergreifung der Nazis empörten, durch die Paul Abraham wie so viele andere Kulturschaffende einfach verboten worden sind.
„Insofern wurde dann auch diese ganze Episode der Berliner Operette, die ja vorwiegend von jüdischen Komponisten stammt, einfach abgebrochen.“ Diese Berliner Operette wird in Dresden von Regisseur Christian Thausing inszeniert. Der stammt aus dem Mutterland der Operette und staunt: „Das ist eine interessante Erfahrung für mich, weil man glaubt, als Österreicher kennt man die Operette eh‘ ganz gut.“ Seine erste Regiearbeit in Dresden hat ihn eines Besseren belehrt: „Berliner Operette war eine ganz neue Erfahrung für mich, mit welcher Leichtigkeit diese Themen verhandelt werden, mit wie viel mehr Sarkasmus, Ironie, Selbstironie. Das macht große Freude, an so einer Jazzoperette zu arbeiten.“ Christian Garbosnik ergänzt: „Bei Paul Abraham sind alle Tanzstile vorhanden, das große Gefühl mit langsamem Walzer ebenso wie schnelle Tempi im Foxtrott sowie Tangos, womit die Frauen die Männer um den Finger wickeln konnten.“ Eben ein ganz großer »Ball im Savoy«. Mit einer ziemlich kritischen Story, so Christian Thausing: „Ich glaube, es war ein Tanz auf dem Vulkan damals in Berlin zu jener Zeit. Es geht um Ehescheidung, um den Mut und die Rechte einer Frau, die vor versammelter Ballgesellschaft sagt, sie habe ihren Mann düpiert.“
Aufgeführt wird dieser Ball in großer Orchesterbesetzung – und spielt tatsächlich in einem Savoy! Christian Thausing wollte auf jeden Fall diesen Glitzer und Glamour hier auf die Bühne holen und hat sich einen Kniff erlaubt, indem er die Atmosphäre eines leerstehenden Ball-Rooms auf die Bühne bringt. „So ein Ball-Room, wie es ihn etwa in New York recht häufig gibt, ist eigentlich der passende Ort, um diese Geschichte zu erzählen.“ Er habe ein Vorbild für diese Produktion gefunden, das tatsächlich den Namen »Savoy« trug.
Christian Thausing, Regie, und Christian Garbosnik, Musik, sie brennen also beide unisono für diesen »Ball im Savoy« und wollen unbedingt Lust machen für einen Besuch: „Man kann hier ein fulminantes Ensemble erleben, spritzige Dialoge, kurzweilige Szenen, unfassbar tolle Choreografien, wo alles abverlangt wird von allen Abteilungen, das ist ein gewaltiges Feuerwerk und macht einfach riesigen Spaß, sich in diesen Jazz hineinzubegeben, sich dieser Musik auszusetzen, sie aufzusaugen und sich durch sie beflügeln, ja, befreien zu lassen.“
Diesem jazzigen »Ball im Savoy« folgt übrigens am 13. September ein großer Sommernachtsball der Staatsoperette unter dem Motto »Traumfabrik Hollywood«.
Paul Abraham
»Ball im Savoy«
Staatsoperette Dresden
Premiere am 21.Juni, 19.30 Uhr
Weitere Aufführungen am 22., 26. und 27. Juni sowie am 5. und 6. Juli.