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Etwas muss man doch fürs Herze tun

Foto: Simon Pauly

»Gefesselt von der Schönheit und vom Klang des Konzertsaals« – Sir Donald Runnicles wird neuer Chefdirigent der Dresdner Philharmonie: 

Ein Weihnachtswunder? Vier Tage vorm großen Konsum-Fest hat sich die Dresdner Philharmonie selber beschenkt. Großes stand auf dem Wunschzettel des städtischen Klangkörpers, denn seit dem Weggang von Marek Janowski zum Ende der vergangenen Spielzeit wurde ein neuer Chefdirigent – oder eine Chefdirigentin? – gesucht. Eine direkte Nachfolge gab es nicht, das Orchester hat bis jetzt erst einmal ohne musikalischen Chef auskommen müssen.

Nun soll diese Phase bald beendet sein, denn ab 2025/26 soll – Donald Runnicles als Chefdirigent der Dresdner Philharmonie wirken. Schon am kommender Saison übrigens als designierter Chefdirigent.

Mit dieser Bekanntgabe hat sich das Orchester vor allem selbst eine Freude gemacht, natürlich auch seinem Publikum. Über die reine Freude hinaus ist es schließlich bedeutsam, mit solch einer Personalie auch Sicherheit für Planungsprozesse und die künstlerische Strukturen zu schaffen, um im besten Fall eine Kontinuität für den Klangkörper zu wahren.

Wobei sich die cheflose Zeit bislang nicht negativ bemerkbar gemacht hat, das Orchester ist über die Jahre hinweg auf einem sehr guten Niveau, was nicht zuletzt durch Marek Janowski zu verdanken ist, der ja gleich zweimal Chefdirigent war, erst von 2000 bis 2004, als er wegen des von der Stadt Dresden nicht eingehaltenen Versprechens, einen Konzertsaal für die Philharmonie zu errichten, erst einmal hinschmiss, und dann nochmal von 2019 bis zum vergangenen Sommer, als er sich mit  84 Jahren von dieser Chefposition verabschiedet hat. Übrigens auf eigenes Betreiben und nach einer nochmal einjährigen Verlängerung seine Vertrages. Mithin gilt das Orchester durchaus als eine attraktive Adresse für Dirigenten.

Neben dem Orchester allerdings auch der Konzertsaal, von dem Runnicles schwärmt: »Als ich vor einem Jahr zur Dresdner Philharmonie kam, war ich sofort gefesselt von der Schönheit und dem hervorragenden Klang des Konzertsaals.« Beim Orchester setzt sich die Begeisterung des Briten selbstredend fort: »Ich bin auf eine exzellente musikalische Qualität, auf großes Vertrauen und eine Art des Zusammenspiels getroffen, wie ich sie vorher kaum irgendwo erlebt habe. Dass daraus der Wunsch des Ensembles nach einer intensiven Zusammenarbeit entstand, freut mich außerordentlich!« Runnicles sei davon überzeugt, künftig Programme entwickeln und Konzerterlebnisse realisieren zu können, die den Ruf der Dresdner Philharmonie weiter festigen und ausbauen werden. Auch internationale Tourneen, konzertante Opern sowie weitere Projekte sollen dazu beitragen. Dass am 13. Februar 2025 Benjamin Brittens »War Requiem« unter seiner Leitung erklingen wird, steht bereits fest und gilt für den Briten und Britten-Verehrer als »sehr wichtiges Signal für ein gemeinsames Erinnern.«

Derzeit ist Donald Runnicles Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, die er 2026 ein Jahr früher als laut Vertrag ursprünglich vorgesehen verlässt. Zudem ist er Künstlerischer Leiter eines Festivals im US-amerikanischen Jackson und obendrein Erster Gastdirigent des Atlanta Symphony Orchestra. Beim Scottish Symphony Orchestra der BBC war er von 2009 bis 2016 Chefdirigent und wurde dort zum Conductor Emeritus berufen.

Als echte Überraschung dürfte der 1954 geborene Dirigent eher nicht gelten, so manche Musikfreunde in Dresden hätten sich gewiss etwas mehr Risikofreude bei dieser Personalie gewünscht, doch das Wagnis bleibt aus. Donald Runnicles steht nach eigener Aussage für das romantische und spätromantische Repertoire, ist aber auch für Uraufführungen bekannt, etwa von John Adams’ »Dr. Atomic« in San Francisco, und für die dortigen Erstaufführungen von Olivier Messiaens »Saint François d’Assise« sowie Aribert Reimanns »Lear«.

Er hat an so ziemlich allen großen Orchestern und Opernhäusern der Welt gearbeitet, an der Wiener Staatsoper ebenso wie bei der Sächsischen Staatskapelle.

Nach seiner gesundheitsbedingten Absage eines Philharmonie-Konzerts mit der »Alpensinfonie« von Richard Strauss wird Runnicles – dann schon als designierter Chefdirigent der Dresdner Philharmonie – am 1. und 2. März 2024 mit Kompositionen von Claude Debussy, Alexander Skriabin und Maurice Ravel im Kulturpalast zu erleben sein.