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Der Wunschzimmerkonzertsänger

Auf der Probe: Friedrich Rau als Rob Cole (Foto: André Leischner)

Sechs Millionen Kopien des vor vierzig Jahren erschienenen Romans »Der Medicus« stehen heute in deutschen Bücherregalen. In einer Neuproduktion des gleichnamigen Musicals ist nun der Sänger Friedrich Rau seit gestern in der Hauptrolle auf der Bühne des Plauener Parktheaters zu sehen.

Friedrich Rau, viele Dresdner kennen Sie durch Ihre Auftritte im Boulevardtheater, wo Sie dieses Jahr im Herbst wieder in dem Erfolgsstück »Die Legende vom heißen Sommer« mitspielen. Gern würde ich mit Ihnen zurückschauen, wie Ihre Karriere eigentlich begann. 

Ich komme aus einer Musikerfamilie; in Zwickau habe ich schon früh als Kinderdarsteller in verschiedenen Theaterproduktionen mitgespielt. Schon damals hatte ich den Traum, Musiker zu werden, aber irgendwann wurde mir klar: Oper und Klassik sind nicht mein Ding. Ich komme eher aus der Popularmusik, habe Schlagzeug gespielt. Mit 15 oder 16 war ich beim Tag der offenen Tür der HMT Leipzig in der Musical-Abteilung, da hieß es: du musst auch tanzen können! Ich ging ins Extra-Ballett und merkte irgendwann, Gesang und Schauspiel kriege ich hin, aber das Tanzen fällt mir schwer. Damals dachte ich: ich kann so nie und nimmer Musicaldarsteller werden. Da habe ich mich erst einmal von meinem Traum verabschiedet und eine Vernunftsentscheidung getroffen: ein Lehramtsstudium an der Weimarer Musikhochschule.

Und dann hat Sie das Musical-Virus kurz vor dem Referendariat doch noch erwischt.

Das war verrückt: Mein Hauptfach hätte eigentlich Drumset sein sollen, aber die Schulmusiker hatten keinen Dozenten für mich. Die Institutsleiterin meinte, stimmlich würde ich Hauptfach Gesang packen. Irgendwann habe ich dann kapiert, dass meine Stimme besser ist als mein Schlagzeugspiel – ohne zu wissen, wohin das Studium eigentlich führen würde. Mehr aus Zufall habe ich dann gegen Ende meines Studiums bei einer Castingshow mitgemacht…

…das war karrieremäßig sozusagen der Startschuss ins Berufsleben?

Ja, auch wenn ich am Ende den dritten Platz erreichte. Ich hatte vorher schon in anderen Musical mitgespielt – z.B. in der »Buddy Holly Story«, als Schlagzeuger. Dafür hatte ich mir ein Urlaubssemester genommen. Später war ich Backgroundsänger bei einer Galatour, als der Fotograf vom Programmheft meinte: „Die suchen im Fernsehen gerade einen Tarzan – mach doch mit!“ Das war dann wie ein Lottogewinn: Ich hab im Finale Phil Collins die Hand geschüttelt. Und vielleicht war es gut, dass ich nicht gewonnen habe – acht Shows die Woche als Hauptrolle ohne Erfahrung, das wäre zu viel gewesen. Aber es war meine Initialzündung: ich dachte, wenn ich da so weit komme, bin ich vielleicht doch gut genug? Statt das Referendariat in der Schule anzufangen, habe ich mich sofort ins Berufsleben als Musicalsänger gestürzt.

Foto: Ralf Rühmeier

Haben Sie danach noch ein Diplomstudium in der Richtung angeschlossen?

Ich hab tatsächlich versucht, in Leipzig ins Studium einzusteigen, aber das hat nicht geklappt. Vielleicht war’s wieder das Tanzen? Die Professoren meinten jedenfalls: „Du bist schon im Job, hast deinen Style – wir wollen keinen Studienplatz vergeuden.“ Tatsächlich gibt es beim Musical viele Hauptdarsteller, die Quereinsteiger sind. 

Wie sieht heute Ihr Berufsalltag als Musicaldarsteller aus? Wenn man sich Ihre Homepage ansieht, jonglieren Sie viele unterschiedliche Projekte gleichzeitig.

Ich mache definitiv zu viel – aber der Großteil sind Musicalprojekte. Für mich als Freischaffender sind das meist Stückverträge: Du spielst eine bestimmte Rolle für eine bestimmte Zeit. Am längsten war „Robin Hood“, Juni bis September – sieben Shows die Woche, da reichts irgendwann auch. Die Arbeit für einen Freiberufler beginnt lange vor der Probephase, mit Bewerbungen, Vorsingen, Vorbereitungen. Das ist ein enormer Aufwand; die Probenzeit selbst, etwa jetzt für den »Medicus«, ist oft gar nicht so lang. Viele denken, Musical sei Talent und ein bisschen Glück – aber es ist harte Arbeit. 

Und dann ist da noch Ihre eigene Musik.

Von der Anzahl der Konzerte her ist das vielleicht gar nicht so viel, aber der Aufwand für diesen Karriereteil ist enorm. Letztes Jahr war ich zwei Wochen in Deutschland auf Tour – und zwei Wochen in den USA. Alles selbst organisiert, Plakate, Verträge, Koordination der Band. Das nimmt sehr viel Zeit ein.

Gab es Momente, wo Sie sich entscheiden mussten – Musical oder Solokarriere?

Klar. Die Managerin von Roger Cicero, den ich sehr verehrt habe, hat irgendwann zu mir gesagt, ich müsse mich entscheiden. Aber ich habe meinen Frieden mit dem Auftrags-Mix gemacht. Vielleicht schaffe ich irgendwann noch den Durchbruch, aber kommerziell lohnt sich das zumindest im Moment nicht. Die meisten Veranstalter buchen dich nur, wenn sie mit dir Geld verdienen können. Tonträger sind tot, und die Plattenfirmen haben keine Ressourcen mehr, Künstler aufzubauen. Alles muss man selbst machen: Werbung, Social Media, geile Videos, Songs schreiben, produzieren, Instrumente spielen. Sobald du Familie hast – ich habe zwei Töchter – ist das alles kaum noch machbar. Immerhin haben wir es kürzlich bis in die USA geschafft. Diese Tournee wurde möglich durch eine Förderung des Freistaats über das Programm »So geht sächsisch«. So konnte ich auch meine Musiker anständig bezahlen. 

Woher kommen Ihre Fans?

Viele sind seit der erwähnten Castingshow 2008 dabei. Die sagen: Friedrich Rau, cooler Typ, schöne Stimme. Noch wichtiger war die Coronakrise. Ich habe schnell gesagt: Ich will weiter Musik machen. Da ich auch Informatik studiert habe, war ich ziemlich schnell live auf YouTube, Facebook, Instagram – mit zeitweise drei Konzerten pro Woche, mit über einhundert Wunschzimmerkonzerten. Unter Künstlern gab es damals heiße Diskussionen. „Wie kann man seine Kunst verschenken?“ Ich sagte: „Ich gehe live, und man kann freiwillig etwas spenden.“ Dieses Einkommen hat mich tatsächlich recht gut über Wasser gehalten, und ich habe mir eine treue Fanbase erarbeitet. Das war auch die Initialzündung für mein Album. Ich postete: Wenn genug Leute das Album vorbestellen, mach ich’s. Das Ziel war in 24 Stunden erreicht. Das war unglaublich.

Und nun »Der Medicus«, ein mittelalterlicher Fantasystoff. Sie geben in Plauen zum zweiten Mal den Haupthelden, den Londoner Arzt Rob Cole. Was hat dieses Buch eigentlich so erfolgreich gemacht?

Ich finde es toll, dass sich da ein Typ auf den Weg macht, die Ursache einer Krankheit zu erforschen, die jeden betrifft. Egal ob du schwarz oder weiß bist, ob du an Allah glaubst oder an Jehova. Das ist eine Erinnerung daran, dass wir mehr gemeinsam haben, als als mancher denkt.

»Der Medicus«
Theater Plauen-Zwickau, Parkbühne
Tickets: 28-42 EUR
www.theater-plauen-zwickau.de

Termine:

Parktheater Plauen
Sa, 14. Juni, 20:00 Uhr – Premiere
So, 15. Juni, 20:00 Uhr
Mi, 18. Juni, 20:00 Uhr
Do, 19. Juni, 20:00 Uhr
So, 22. Juni, 20:00 Uhr
Fr, 27. Juni, 20:00 Uhr
Sa, 28. Juni, 20:00 Uhr
So, 29. Juni, 16:00 Uhr

Freilichtbühne am Schwanenteich Zwickau
Do, 21. August, 19:30 Uhr – Premiere
Fr, 22. August, 19:30 Uhr
Sa, 23. August, 19:30 Uhr

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