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„Holz und Regenwald müssen geschützt werden!“

Joachim Zimmermann (li.) betreibt mit seinem ehemaligen Geigenbaugesellen Andreas Thümmler eine gemeinsame Werkstatt am Wasaplatz. Die beiden Geigenbaumeister reparieren Streichinstrumente und Bögen und bauen auch gemeinsam neue Instrumente. (Fotos: M.M.)

Das Wappen Brasiliens schmücken eine Tabakblüte und ein Zweig der Kaffeepflanze – aber der Star der brasilianischen Flora ist ein bis zu dreißig Meter hoher Baum, der dem Land seinen Namen gab: „Paubrasilia echinata“, dessen rotleuchtendes Holz (‚pau brasil‘ – portugiesisch für ‚glühendes Holz‘) heute weltweit fast ausschließlich zum Herstellen von Streicherbögen genutzt wird. Nun aber will Brasilien dieses Fernambukholz auf einen strengen Artenschutzindex setzen, was gravierende Auswirkungen auf die Musikwelt hätte. Wir haben dazu mit den beiden Geigenbauern Joachim Zimmermann und Andreas Thümmler gesprochen, die seit Jahren Mitglied in der Internationalen Initiative zur Erhaltung des Fernambukbaumes (IPCI) sind.

Frage: Die Deutsche Orchestervereinigung warnte letzte Woche in dramatischen Worten vor einem drohenden Nutzungsverbot des Fernambukholzes – grenzüberschreitende Tourneen könnten eingeschränkt werden, auch der Handel könne quasi zum Erliegen kommen. Wie schätzen Sie beide die Situation ein?

Joachim Zimmermann: Lassen wir die Sache erst einmal auf uns zukommen. Ich würde in dieser Sache niemandem Angst machen. Die Brisanz des Themas ist, dass Brasilien das einzige Land ist, in dem dieser Baum wächst – und dort immens viel illegal abgeholzt wird. Viele deutsche Geigenbauer, auch wir, haben schon vor vielen Jahren angefangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wir engagieren uns langfristig für das Bogenholz der Zukunft und sind beide Mitglied im IPCI. Der jetzige Präsident dieser Initiative zur Erhaltung des Baums wird in diesen Tagen auf der Artenschutzkonferenz CITES präsent sein und in unserem Sinne argumentieren.

Was, erwarten Sie, wird da in Panama beschlossen werden?

Andreas Thümmler: Das ist noch völlig unklar. Aber so oder so, wir werden Fernambukholz weiterhin verarbeiten können. Das Problem wird nur sein, wie das legal geschlagene Holz aus Brasilien herauskommt. Der Verband Deutscher Geigenbauer und Bogenmacher (VDG) beschäftigt sich seit Jahren damit. Der IPCI Deutschland veranstaltet jedes Jahr eine Mitgliederversammlung, bei der über die Aktivitäten beraten und informiert wird. Wir haben gestaunt, wie viele Kollegen sich ehrenamtlich bei diesem Thema einsetzen und auch mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten.

Joachim Zimmermann: Wir sagen auf alle Fälle: Das Holz und auch der Regenwald müssen geschützt werden! Wenn wir Fernambukholz verarbeiten wollen, müssen wir es anbauen. Das ist dem IPCI schon gut gelungen, die ersten Hölzer sind schon geerntet. Da haben auch die Leute vor Ort Arbeit. Es ist wichtig, diese Zusammenhänge zu sehen, die Aktivitäten zu kombinieren. Der IPCI hat überlegt, was für Projekte angekurbelt werden können. Zusätzlich sind soziale Projekte angelaufen. Kinder lernen Streichinstrumente spielen.

Fernambukholz wird in der Geigenbauwerkstatt eigentlich noch gar nicht so lange verwendet, oder?

Andreas Thümmler: Das stimmt, es dürfte so gegen 1800 das erste Mal verwendet worden sein. Im Barock nutzten die Bogenbauer alles mögliche: Schlangenholz oder andere Eisenholzarten fanden Verwendung.

Als Musikinstrumentenbauer verarbeiten Sie ja noch mehr seltene Hölzer. Welche bürokratischen Hürden sind da jeweils zu nehmen?

Joachim Zimmermann: Vor Jahren musste zum Beispiel sämtliches Palisanderholz gelistet werden, das ich in meiner Werkstatt verarbeitet habe. Wirbel, Saitenhalter, Endknöpfe… Rio-Palisanderholz ist heute im Geigen- und Gitarrenbau verboten, aber insgesamt hat sich diese Thematik wieder entspannt. Und dann gibt es ein Problem beim Ebenholz, das für die Griffbretter verwendet wird. Auch da gibt es einen Verein, der sich um die Thematik kümmert und beispielsweise gemeinsam mit dem Zürcher Zoo ein interessantes Projekt zum Artenschutz gegen den illegalen Holzeinschlag und für Neuanpflanzungen betreibt.

Andreas Thümmler: Bei Streichbögen kommt dann noch die Elfenbeinfrage dazu. Elfenbein wurde bis Anfang der Neunziger Jahre verwendet. Was macht man heute mit diesen Bögen, die seit diesem Jahr nicht mehr weiterverkauft werden dürfen? Manche Bogenbauer haben angefangen, die Kopfplatten dieser Bögen zu entfernen und durch andere Materialien zu ersetzen. Es gibt zum Beispiel einen Kunststoff, der relativ gut zu verarbeiten ist. In unserer Werkstatt nutzen wir meist fossiles Mammut-Elfenbein, das ist von der Materialität kaum von dem der Elefanten zu unterscheiden.

Dann komme ich mal auf ein Thema, bei dem mancher Profi-Musiker vielleicht erschauert: warum nutzen wir nicht einfach zukünftig Karbon für den Bogenbau? Ein Handelsverbot für Fernambuk würde hier vielleicht sogar einen Innovationsschub auslösen, meinen Sie nicht?

Joachim Zimmermann: Diesen Gedanken gibt es ja schon lange, bei Wirbeln, Griffbrettern oder Bogenfröschen. Ebenholz kann man zum Beispiel gut durch Verbundstoffe ersetzen, gepresstes Holz mit Ahorn- und Fichtenanteilen und so weiter. Karbon ist da noch eine Marktlücke. Entsprechende Forschungsprojekte gibt es schon lange, und an anderen, weniger kitzligen Stellen wird Karbon im Geigenbau auch schon ausprobiert, beispielsweise bei Zargenkränzen. Kollegen setzten Karbonstimmen ein. Aber bei Bögen? Viele Musiker sagen, das Spielgefühl ist nicht dasselbe, die Klangeigenschaften sind anders. Als „Reisebogen“, damit man auf Tourneen keine Probleme hat, ja, aber sonst selten. Wir gehören wahrscheinlich zu den Konservativen, mir ist der Klang eines Karbonbogens nicht lebendig genug. Und wie sehen Sie das Ganze mit der Entsorgung? Das ist alles nicht so easy. Wir reparieren Karbonbogen, aber wir verkaufen selbst keine.

Was kommt denn auf mich als Geiger ganz praktisch zu, wenn Fernambukholz jetzt beim Washingtoner Artenschutzabkommen in dieser strengeren Kategorie gelistet wird? Muss ich meine Bögen dann innerhalb einer bestimmten Zeit registrieren?

Joachim Zimmermann: Damit ist zu rechnen. Die Einzelheiten werden gerade im Umweltministerium in Bonn verhandelt. Da werden alle möglichen Szenarien durchdacht, wer wo bei welchen Landesbehörden was bis wann registrieren lassen muss. Eventuell brauchen Sie zukünftig ein entsprechendes Papier für jeden Bogen, den Sie besitzen. Und ich als Geigenbauer, darf ich solche Papiere selber ausstellen? Man muss schauen, wie man das Ganze unter die Füße kriegt.

Andreas Thümmler: Idealerweise werden fertige Streicherbögen von der Regelung ganz ausgespart und nur der Handel des Fernambukholzes strenger reglementiert. Ich verstehe doch die Problematik, man muss das Ganze im Zusammenhang denken. Was in Brasilien an Raubbau und illegalem Handel läuft, ist eine Katastrophe. All diese illegalen Abholzungen, wo ist das Holz hingegangen?

Ich höre heraus, dass Sie eigentlich ganz gut finden, dass man beim Handel des Fernambukholzes in Zukunft genauer hinschaut.

Der Bogenbau wird an diesem Thema jedenfalls nicht kaputtgehen, die Meister werden weiterhin Fernambukbögen bauen und verkaufen können. Aber die Bögen werden natürlich teurer, darauf müssen Sie sich einstellen.

Herr Zimmermann, Herr Thümmler, vielen Dank für das Gespräch.