Scroll Top

Seltsam sehnende Sirenen

Baabe, Dezember 2021. Foto: Martin Morgenstern

Jan Heinke (geb. 1968 in Dresden) ist beim Finanzamt Dresden als freischaffender Musiker und Komponist gemeldet. Die künstlerische Vielfalt, die er dabei lebt, ist atemberaubend und manchmal etwas rätselhaft. Vielen bekannt sind sicherlich seine raumgreifenden Stahlinstrumente, die, mit einem Bogen angestrichen, seltsam sehnende Sirenenklänge von sich geben. Das klingt dann, als würden Blauwale im Vorbeischwimmen Glasharfen spielen: zeitlos, tief melancholisch wandert etwa ein »Air« von Johann Sebastian Bach vorbei; unendlich verlangsamt, bleibt es in die Ohren der Zuhörer. Heinkes Auftritt als stiller Engel in Turnschuhen in Annette Jahns‘ Freiberger Inszenierung »Orpheus und Euridike«, sein überirdisch schöner kontrapunktischer (!) Obertongesang machte sprachlos und wirkte wochenlang nach.

Dabei hat alles ganz harmlos angefangen: fünf Jahre musikalische Ausbildung im Kinderchor der Staatsoper Dresden, mit siebzehn eine Lehre zum Facharbeiter für Nachrichtentechnik, nach der Wende ein Studium im Fach Jazz-Saxophon an der Dresdner Musikhochschule… In diese Zeit fallen auch erste Theaterproduktionen und Konzerte, u.a. gemeinsam mit Günther Baby Sommer, Hans Rotmann, Daniel Minetti.

In den letzten zehn Jahren hat Jan Heinke darüber hinaus ein Dutzend Auftragswerke geschrieben; für Schlagzeuger, Saxophonisten, Marimbas, für Maschinen und Werkzeuge und natürlich immer wieder für die Stahl-Celli. Viele sächsische Bühnen haben irgendwann einen „Heinke“ auf dem Programm gehabt, allein im Raum Dresden gastierte der Musiker an den Landesbühnen, im Hygienemuseum, im Societätstheater, bei den Musikfestspielen, dem Stadtfest oder der Neuen Elbland Philharmonie. Und wer jetzt glaubte, den Künstler Jan Heinke so ungefähr zu kennen, hat immer noch so viel zu entdecken: die LauschRausch-Konzertreihe in der Kuppel der Yenidze, die Heinke 2003 gründete und deren musikalischer Leiter er ist; die Klangskulpturen, die Galerien von Berlin bis Moskau zieren…

„Und was, bitte“ – fragten sich vor ein paar Jahren die Besucher des Deutschen Hygiene-Museums, „ist das hier?“ „Das ist ein Kymatisches Objekt“, hätte der Erbauer Jan Heinke gesagt. Und es noch mal ganz in Ruhe erklärt.

(2007)

Jan Heinke ist am 20. April 2022 gestorben. Die Trauerfeier findet am 17. Mai um 11 Uhr in der Loschwitzer Kirche statt. Im Anschluss erfolgt die Urnenbeisetzung auf dem Loschwitzer Friedhof. Jans Wunsch war es, dass seine Gäste in farbiger Kleidung und mit Leichtigkeit zu seinem Abschied erscheinen mögen.