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Der die Musik ins Bild setzt

Der Fotograf Matthias Creutziger feiert heute seinen 70. Geburtstag. Ohne große Sause natürlich. Aber sicher: mit Musik.

Allein bei »Musik in Dresden« finden sich inzwischen mehr als tausend Fotos von Matthias Creutziger. Der Fotograf porträtierte Protagonisten des Jazz, der zeitgenössischen Musik, Musiker der Dresdner Philharmonie und die letzten zwanzig Jahre vor allem Oper und Staatskapelle; mehrere preisgekrönte Kalender zeigen daneben andere Facetten…

Jede Begegnung mit Matthias Creutziger ist ein Zusammentreffen der Kontraste. Laut und leise, hell und dunkel, vergänglich und bleibend. Stets ist da eine fruchtbare Kreativität zu spüren, wie auf einer Zauberinsel von Gleichgesinnten, um das Sinnvolle im klingenden Miteinander aufleben zu lassen. Genau diese Eindrücklichkeit ist so fesselnd und faszinierend in den Fotografien dieses Übersetzers von verrauschendem Klang in papiergewordene oder digital bleibende Momentaufnahmen.

Genau das jedoch macht die Kunst von Matthias Creutziger aus: Den richtigen Moment zu finden, das richtige Atmen, das Mitatmen mit der Musik, den richtigen Blick auf die Ausführenden. Es ist ein Durchdringen des künstlerischen Gegenstands, ob der nun aus Musiktheater, Konzert oder Jazz-Session besteht.
Doch bevor man sich weiter in die Kontraste dieser Auseinandersetzung vertieft, sollte der Künstler selbst vorgestellt sein (wobei unklar bleiben muss, ob er sich selbst so sieht: Künstler? – Oder vielleicht doch mehr als Hand-Werker, als Augen-Blicks-Macher?). Auf jeden Fall ist Matthias Creutziger ein sehender Hörer, ein hörender Seher, der uns etwas zu zeigen, uns Augen und Ohren zu öffnen versteht.

„Hinter der Maske“ – ein hintersinniges Selbstporträt…

Matthias Creutziger stammt aus dem sächsischen Härtensdorf, absolvierte ein handfestes Hochbaustudium, war Bauingenieur und zunächst als Projektant tätig. Vielleicht könnte man das als ein Omen sehen, denn Projekte stemmt er seitdem noch und noch. Ob nach dem Weggang 1988 in Richtung Hannover, wo Creutziger Jazzreferent gewesen ist, ob eine längere Lebensphase in der Pfalz, ob vorherigen Arbeiten für Schauspiel, Musiktheater und Konzert oder ob spätere Erfüllungen seines Lebenstraums – Matthias Creutziger setzte mit seinem Tun gewissermaßen eine Jugendliebe fort. Denn schon in Schulzeiten ist er selbst praktizierender Musiker gewesen, war Schlagzeuger in verschiedenen Bands.

Dieser Liebe, der Liebe zur Musik und insbesondere zum Jazz ist er treu geblieben bis heute. Er tourte zu diversen Jazzfestivals und könnte von Begegnungen mit Koryphäen dieses Genres sicherlich schwärmen und würde damit selbst eingefleischte Jazzfans neidisch werden lassen. Er ist aber nie eingleisig unterwegs gewesen, sondern war neben dem Jazz immer auch in der Klassik zu Hause. Natürlich auch in der Moderne, der zeitgenössischen Musik. Als Hausfotograf der Dresdner Semperoper und insbesondere der Sächsischen Staatskapelle hat er nicht nur quer durch die Operngeschichte fotografiert und war zu Konzerten in der großen weiten Welt unterwegs, sondern hat wohl auch hier den Blick fürs Detail immer wieder geschult: Mitatmen mit den Stimmen der Sängerinnen und Sänger, dramaturgisches Mitfühlen mit den Höhepunkten, den entscheidenden Szenen eines Vorgangs – und ebenso auch auf den Konzertpodien: An welcher Stelle ist Konzentration gefragt, wo sollte man Musikerinnen und Musiker besser nicht ablichten, und wann wirkt ein Dirigent als Maestro und nicht etwa als konfus agierendes Irrlicht im Frack.

Wenn Matthias Creutziger fotografiert, dann oft wie im Rausch, um den Zauber des Momentes, der einmaligen Situation festzuhalten. Entstanden sind an den zuvor genannten und zahlreichen weiteren Stationen vermutlich Zigtausende Aufnahmen. Als eine besondere Ehrengabe sind zahlreiche davon heute in die Deutsche Fotothek gelangt, andere aber auch in die Sammlungen der Kupferstichkabinette von Berlin, Dresden und Leipzig. Das besondere an all diesen Bildwerken ist übrigens nicht nur der geradezu grafisch sprechende Inhalt, sondern auch das störungsfreie Entstehen dieser Bilder. Es gibt viele Vertreter seines Fachs, die innigste Szenen und Momente mit ihren Kameras zerstören, die musikalischen Genuss mit ihrem Auftreten geradezu verhindern – nicht so Matthias Creutziger, der stets dezent und mit ausgeprägtem Sinn für die Kunst agiert. Seine Arbeiten entstehen gleichsam aus dem Geist der Musik heraus.

Dieses Mitatmen mit der Musik praktiziert Creutzi auch im Jazz. Weder Publikum noch Musikerinnen oder Musiker fühlen sich von ihm bedrängt, belästigt, gestört. Ob in Peitz oder im Jazzclub Tonne in Dresden – Matthias Creutziger gehört bei den Konzerten einfach dazu. Ebenso auf internationalen Jazzfestivals, die er im Laufe der Jahrzehnte immer mal wieder fotografierend besucht und mit geradezu ikonografischen Resultaten wieder verlassen hat. Ob in Schwarzweiß-Fotografien oder in Farbe – stets wurde da treffend, packend und im richtigen Moment etwas Wesentliches festgehalten. Nicht nur die körperliche Arbeit, die Anstrengung und Hingabe, sondern immer auch ein Stück von der Musik. Bei den Porträts von Conny Bauer, von Joachim Kühn, Albert Mangelsdorf oder von Aki Takase, ist deren Musik scheinbar zu hören, sind Schwingung und Stimmung zu spüren. In den Aufnahmen von Matthier Creutziger werden also immer viel mehr als nur Abbilder transportiert. Sicherlich liegt das an seinem Verständnis für diese Musik, an seiner Liebe zum Jazz. Manchmal wirken seine Bilder sogar in die Musik zurück. Was könnte man sich als Fotograf besseres wünschen?

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