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Zeit für die Bildung

Beethoven? Das war doch der mit dem abgeschnittenen Ohr, oder? Und Paganini der mit den langen Haaren, die ihm beim Klavierspielen immer auf die Tasten gefallen sind, nicht? Oder war es doch Bach, der sich das Ohr abschnitt, und Beethoven ist der Blinde gewesen? Wie auch immer, das Allgemeinwissen um unser kulturelles Erbe ist mager bis dürftig. Was nicht nur, aber auch am Fachlehrermangel und dem damit verbundenen Stundenausfall im musischen Bereich zu tun haben dürfte. Nicht einmal die Hälfte der für einen regulären und kompetenten Musikunterricht nötigen über 40.000 Stellen sind derzeit besetzt. Und ebenfalls nicht mal die Hälfte des Unterrichts im Fach Musik wird von ausgebildetem Personal umgesetzt. Mit diesen Zahlen schockierte die Bertelsmann-Stiftung dieser Tage das derzeit vom hohen C beherrschte Volk.

Apropos: Wer kann noch ein C von einem A unterscheiden? Oder vorgespielte Töne treffsicher nachsingen? Das geht – ohne die schulische Misere herunterzuspielen – im Elternhaus los. Wo keine Gute-Nacht-Lieder mehr gesungen werden, von Hausmusik ganz zu schweigen, wo die einzig hörbaren Töne Klingeltöne sind, muss man sich über eine gesamtgesellschaftliche Miss-Stimmung nicht wundern.

In den nächsten Tagen und Wochen soll nun der gesamte Schulunterricht ausfallen und nach dem Vorbild der ins Homeoffice geschickten Bevölkerungsteile an (hoffentlich flächendeckend vorhandenen?) Bildschirmarbeitsplätzen daheim umgesetzt werden. Vorerst sind die sogenannten LernSax-Zugänge, da nie für diesen unerwarteten Notfall unter Realbedingungen getestet, wegen überlasteter Server allerdings bisher nur mit Einschränkungen nutzbar. Das wird jetzt ganz gewiss nicht alle sächsischen Schülerinnen und Schüler bittertraurig verstummen lassen.

Sollte aber bei Eltern und an den Schulen nachdenklich stimmen. Denn Studien zufolge sei langfristig nachzuweisen, dass Kinder mit einer musischen Allgemeinbildung auch über ein insgesamt höheres Bildungsniveau verfügten, was ihnen eine fürderhin bessere Lebensqualität verschaffe.

Neben der musischen Allgemeinbildung der Kinder ist natürlich auch die Elternbildung eine Baustelle. Corona sei Dank ist derzeit neben den üblichen Angeboten via Youtube & Co. sogar der Besuch des „Digitalen Konzertsaals“ der Berliner Philharmoniker für einige Wochen kostenlos. Die Telekom streamt für lau Konzerte aus der Elbphilharmonie, die Dresdner Philharmonie hat sämtliche Konzertprogramme der letzten Jahrzehnte ins Netz gestellt, das Konzerthaus Berlin überrascht mit freien Stars-und-Sternchen-Konzerten von Lang Lang bis Daniel Hope… Was will man mehr, um sich heimlich wieder ein bisschen auf den Stand des musikalischen Wissens zu katapultieren, um vor dem cleveren Nachwuchs nicht fürderhin das Nachsehen (und -hören) zu haben?

Mozart, so viel ist klar, der wurde ja von einem gewissen Requiem umgebracht. Oder war es der Paukenschlag?