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Glanz und Pracht und Kraft

Der Kreuzchor ist alljährlich nicht der erste Chor in der Reihe der Jauchzenden und Frohlockenden. Aber der populärste in Dresden. „Die Menschen lieben die Arien und die prachtvollen Chöre, das geht von Herz zu Herz“, hat Roderich Kreile beobachtet. „Die Zuhörer kennen das Werk, wissen um Glanz und Pracht und Kraft, und wenn das bestätigt wird, sind sie jedes Jahr glücklich.“

In der Tat kann und soll man die alljährlich erste Aufführung des Weihnachtsoratoriums durch den Kreuzchor nicht nach den üblichen Rezensentenkriterien bewerten: wie ist die Aufführung insgesamt gelungen, wie überzeugend präsentierten sich die Ensembles, die Solisten, welche neuen oder interessanten Aspekte (Tempo, Wortausdeutung, dynamische Brüche…) brachte der Kreuzkantor ein, probierte vielleicht auch das ein oder andere musikalische Detail anders oder ganz neu, um dem Stück, das wohl die allermeisten Zuhörer am Freitag in der Kreuzkirche auswendig kannten, vielleicht doch noch unbekannte oder ungewöhnliche Facetten abzugewinnen. Ließ er vielleicht den „Engel“ von der Kanzel singen, ersetzte die Frauen- durch Counter- oder Knabenstimmen, regte im Orchester eine barocke Klangdenke, also Spiel- oder Verzierungsweise an (Gott behüte, dächte er über Originalklangensemble nach! Dann müsste ja auch die 120er Besetzung des Chores in Frage gestellt werden!) usw. Neinnein, Kreile hat schon erkannt: es geht darum, die Zuhörer glücklich zu machen, und dafür reicht es, wenn die Trompeten festlich glänzen, die Soloflöte und -oboe den Ariengesang anmutig umspielen, die Pauken ordentlich fetzen – und die Knaben und Männer des Chores möglichst vollzählig auf der Bühne erscheinen.

Screenshot (Quelle: http://manuel-guenther.com)

So ist man eigentlich nur von Jahr zu Jahr neugierig, wie der Kreuzchor sich klanglich präsentiert – und welche Solisten das eingespielte Team Kreuzchor-Philharmonie ergänzen. Zuerst also der Chor: wunderbar!, lautet die Antwort. Glänzend, prächtig, vielleicht allenfalls mit der Kraft ungewöhnlich zurückhaltend. Mehr als ein straffes Mezzoforte war von den tatsächlich einhundertundzwanzig Sängern am Freitag nicht zu bekommen. Vielleicht ist das ja klug gedacht im Hinblick auf die anstrengenden, kommenden Tage bis zum Jahreswechsel. Aber ungewöhnlich schmalbandig war die Dynamik schon, die Kreile da abforderte.

Und die Solisten? Die hatten sich dieses Jahr und unter Kreiles bedächtig schwingenden Tempi auf „opernhaft“ geeinigt. Kateryna Kasper (seit 2014 Oper Frankfurt), Marlen Herzog (ehemals Opernhaus Halle, 2012 Richard-Wagner-Stipendium) und Daniel Ochoa (bis 2017 Wiener Volksoper) bestrichen ihre Partien mit einer leckeren Vibratoschicht und schickten runde, weiche Wohltöne durchs Kirchenrund, wofür sie anschließend mit Jubel-Applaus und begeisterten Pfiffen belohnt wurden. Für den erkrankten Evangelisten kurzfristig eingesprungen war am Freitag der Tenor Manuel Günther (geb. 1985 in Schwerin), der einst in Dresden bei Thomas Thomaschke und Pjotr Bednarski studierte und heute festes Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper ist. Ein „Weihnachtskonzert mit den Dresdner Kreuzknaben“ hatte seine Homepage für die freitägliche Aufführung angekündigt. Und mehr ist dazu auch eigentlich nicht zu sagen.

Wieder am 15. Dezember (17 Uhr), das „Große Stadionkonzert“ am 19. Dezember, 21. und 22. Dezember Weihnachtsliederabende, 24.12. Christvesper. 11. Januar 2020 (17 Uhr) folgen die Kantaten 4-6.

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