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Dieses Museum will kein Kriegsmuseum mehr sein

Als Urmenschenhorden in Fehde gegeneinander losgingen und dabei rythmisch Stöcke oder Steine aufeinanderschlugen, ihre Stimmen in verschiedener Tonhöhe kreischten – war das schon Musik? Ist damit Krieg, nach Heraklitscher These „Vater aller Dinge“, auch „Vater der Musik“? Wenn auch nicht wie in dieser fiktiven Ableitung soweit zurückgreifend, bekommt ‚Musik‘ in der neuen Dauerausstellung des Militärhistorischen Museums im Dresdner Albertstadt-Kasernen Viertel, doch ihre gehörige Darstellung.

Quelle: Militärhistorisches Museum der Bundeswehr

Nach sechs Jahren des Um- und Neubauens öffneten sich am 13. Oktober 2011 wieder die Tore dem Publikum des ‚Leitmuseums der Bundeswehr‘, das mehr als ein Kriegsmuseum mit Waffensammlung sein will. Mit einem gewaltigen Keil aus Stahl und Beton durchbricht Baukünstler Daniel Libeskind, internationaler Stararchitekt aufregender Museumsbauten, brachial das sorgsam restaurierte neoklassizistische Arsenalgebäude. Die Keilspitze weist herunter ins Ostragehege der Stadt, auf den Winkelgrad genau dorthin, wo erste Zielmarkierungsbomben für die folgenden Abwürfe am 13. Februar 1945 den tödlichen Feuerkeil der Zerstörung Dresdens entfachten, dessen Lunte mit dem Synagogenbrand am 9. September 1938 gezündet worden war. Nichts ist gerade; schräge und gekippte Räume, gebrochen wie die Geschichte des Menschen selbst, in diesem Keil-Neubauteil, der dem thematischen Bereich der Ausstellung zugeordnet ist – die klassisch chronologisch angelegten Ausstellungen sind in den Seitenflügeln des historischen Gebäudes untergebracht.

Anfeuern. Ängstigen. Verhöhnen. (Foto: Steffen Möller)

Mit erschreckenden, mal auch entwaffnenden, etwa 11.000 Exponaten (keiner der Museumsleute sagt es genau),  dazu Installationen und Simulationen, wird der Besucher in die Themenbereiche eingeführt. ‚Musik und Militär‘ ist einer davon. Dazu haben die Historiker vieles zusammengetragen und die Gestalter in den Museumsvitrinen ausgestellt. Musik begleitet den Soldaten seit jeher. Signale regeln seinen Dienstalltag vom Weckruf bis zu Zapfenstreich. In den Schlachten geordneter Formationen lenkte Musik die Operationen, feuerte an, ängstigte, verhöhnte den Feind. Die Instrumente der Spielleute von Fußtruppen waren Pfeifen und Trommeln, der Berittenen Pauken und Trompeten. Das Instrumentarium erweiterte sich im Kulturaustausch nach den Türkenkriegen; Orientalisches wie Becken, Glockenspiel, Schellenbaum kam in die Militärmusik. Ab dem 18 Jahrhundert entstand mit den ‚Hoboisten‘ ein eigener militärischer Berufstand: gut ausgebildete und aus den Schatullen der Regimentsinhaber bezahlte Musiker in Uniform aber nicht unter Waffen. Später dann die Musikkorps und Militärkapellen bis heute. Für deren Repertoires gab und gibt es regen Austausch zwischen militärischen und zivilen Musikleben. Der für Musik zuständige Wissenschaftler des Museums, Dr. Gerhard Bauer, zählt von den Komponisten der „ernsten Musik“ auf Mozart, Haydn, Spontini, Gluck bis Meyerbeer und Schubert, Wagner bis Honegger, die Märsche schrieben, und die sich von kriegerischer Musik und kriegerischem Geschehen anregen ließen. Unter den Musikalien in den Vitrinen der Abteilung ziert eine vollständig erhaltene Partitur ‚Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria‘.

Patriotisch ergriffen, hatte Beethoven dieses Werk 1815 geschrieben und es dem Prinzregenten Englands persönlich zugeeignet. Die Partitur enthält Beethovens Anmerkungen, wie mit ‚Maschinen‘ Gewehr- und Geschützfeuer intoniert werden könnte. Und bemerkenswert, dass überaus ziviler, im Nationalsozialismus verfemter Swing und „entartete“ Jazz doch Einzug erhielt beim Militär: Die Sonderstellung der jungen Luftwaffe ließ es zu, deren neugeschaffene Musikkorps mit Saxophon auszustatten und dessen spezifische Gattungsklänge ertönen zu lassen.

Tanz im Keil… (Foto: P. Bäumler)

Auch die höchst feierlichen Zeremonien zur Eröffnung des neuen Militärhistorischen Museums – Verteidigungsminister de Maiziere, Ministerpräsident Tillich, Daniel Libeskind waren gekommen – vom 13. bis 15. Oktober waren von Musik und Tanz gerahmt durch Semperoper »On the move«. In sieben Stationen konfrontieren sich Sänger und Tänzer der Semperoper mit Konflikten und den ihnen zugrunde liegenden Gefühlen und Trieben – einem Grundthema der neuen Dauerausstellung des Museums. Improvisationen und die Choreografien verschiedenen Orten der Ausstellung setzen sich mit den Ausstellungsinhalten in Beziehung: »Intimate Distance« von Jiří Bubeníček, »Rocking Chair« von Michael Tucker und »Vertigo Maze« von Stijn Celis. Eine Arie aus Händels »Alcina« ergänzen die Stationenfolge, die mit Arnold Schönbergs »Friede auf Erden« für gemischten Chor a cappella, gesungen vom Sächsischen Staatsopernchor Dresden, abgeschlossen wurde.

So sah das Haus vor dreißig Jahren aus… (Foto: Bild und Heimat Reichenbach)

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr

Öffnungszeiten: Donnerstag bis Dienstag 10 bis 18 Uhr, Montag 10 bis 21 Uhr.
Bis Ende 2011 ist der Eintritt frei.