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So geht’s nicht!

Der Freiberufler, das unbekannte Wesen: es dauerte eine Weile, bis den Politikern auf dem Podium das Problem scharf vor Augen stand. Karl-Heinz Gerstenberg forderte gar nachdrücklich das Recht zur Gremienteilnahme ein, das die Lehrbeauftragten in Dresden längst haben: vor allem Aufklärung war angesagt. (Foto M.M.)

Der kleine Konzertsaal der Musikhochschule platzte aus allen Nähten. Kein einziger Platz war mehr frei, als die freien Lehrbeauftragten der Hochschule am Donnerstag den öffentlichen Aufstand probten. Sie wollen ihre prekären Arbeitsbedingungen nicht länger hinnehmen. Wo gibt es das schon sonst, fragte stellvertretend für viele die Pianistin Anna Böhm empört: befristete Verträge über Jahre und Jahrzehnte, kein Versicherungsschutz, Stundenlöhne, die – minimale Vorbereitung und Prüfungsabnahmen eingerechnet – unter denen eines Dachdeckers liegen? Der Landtagsabgeordnete Karl-Heinz Gerstenberg (Grüne) pflichtete sofort bei: sittenwidrig sei die Situation. Wie überhaupt alle Politiker auf dem Podium – auch Eva-Maria Stange (SPD), Aline Fiedler (CDU) und Nico Tippelt (FDP) – den Ernst der Lage wenigstens im Laufe des Abends zu erkennen schienen.

Hochschulrektor Ekkehard Klemm machte in seinem Grußwort gleich die Rechnung auf: 3740 EUR verdiene ein Musikprofessor an der Hochschule mindestens im Monat. Die Honorarkräfte jedoch, die mehr als die Hälfte aller Unterrichtsstunden an seinem Haus schultern, blieben – beim gleichen Lehraufwand! – unter der Niedriglohngrenze. "In der Tat, diese Zahlen sind ein Skandal", gab Stange zu; aber mehr als "eine gewisse Sensibilisierung für das Thema" sei bei den Politikern im Landtag eben nicht drin, auch der nächste sächsische Doppelhaushalt werde da wohl kaum die erhofften Erhöhungen bringen können. Da begehrte der Saal dann doch auf: im Land der Dichter und Denker, im Freistaat, in dem Kultur prinzipiell so wertgeschätzt sei, wäre es nicht möglich, die Stundenlöhne für diejenigen anzuheben, die die nächste Generation von Künstlern ausbilden sollen?

Die Politiker taten schließlich, was sie immer tun: sie verwiesen darauf, dass die Stundensätze im Endeffekt Sache der Hochschule seien, sie wollen prüfen, welche Einsparungen an der Hochschule noch möglich seien, und überhaupt, neue Schulden wolle doch keiner. Immerhin, Karl-Heinz Gerstenberg regte an, über eine landesweite Honoraruntergrenze, ergo einen Mindestlohn für die Honorarlehrkräfte nachzudenken. Ob der jedoch die Grundprobleme lösen hilft; nämlich die insgesamt gesunkenen Zuschüsse des SMWK für die Lehrbeauftragten der Musikhochschule, bei keinerlei Lösungsansätzen, was soziale Perspektiven oder mindestens einen Inflationsausgleich angeht?

"Der Auftakt ist gemacht", ermutigte am Ende der Moderator Michael Ernst zur baldigen Fortsetzung der Diskussion. Das nächste Mal aber bitte mit der sächsischen Kunst- und Wissenschaftsministerin, die sich an diesem Abend den drängenden Fragen der Honorarlehrkräfte leider nicht stellen wollte.

Eine Textfassung des Artikels ist am 19. November in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier abdrucken zu dürfen.