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Wie wird ein Kinderbuch zur Oper?

Foto: Michael Ernst

Schon zum zweiten Mal haben die Landesbühnen Sachsen einen Kompositionswettbewerb ausgeschrieben. Ziel war es, eine Komponistin oder einen Komponisten für eine Kinderoper zu küren. Rund dreißig Bewerbungen sind dafür eingegangen, am Ende wurden drei davon ausgewählt und in einem öffentlichen Finale vorgestellt. Auf einer spannenden Matinee im Festspielhaus Hellerau ging es in die Endrunde. Kein Gegen-, sondern ein musikalisches Miteinander.

»Rico, Oskar und die Tieferschatten«, ein Detektivroman von Andreas Steinhöfel, der unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis  ausgezeichnet wurde, soll zur Oper werden. Zur Kinderoper. Die Landesbühnen Sachsen haben sich die Rechte dafür gesichert. Operndirektorin Kai Anne Schuhmacher  begründet das Engagement ihres Hauses so: „Weil ich mir wünsche, dass das eine regelmäßige Instanz wird, diesen Wettbewerb alle zwei Jahre auszuschreiben, um modernes Musiktheater für junges Publikum zu fördern.“

Kai Anne Schuhmacher gehörte neben beispielsweise der Komponistin Elisabeth Naske, dem Chefdirigenten der Elbland-Philharmonie Sachsen, Ekkehard Klemm, und Hans-Peter Preu, dem Ersten Kapellmeister der Landesbühnen, der siebenköpfigen Jury an, die im Finale des Kompositionswettbewerbs über den Sieger oder die Siegerin zu entscheiden hatte. Drei musikalische Kostproben wurden von Mitgliedern der Elbland-Philharmonie und einem hauseigenen Gesangsensemble aufgeführt, darunter sogar auch eine mit Publikumsbeteiligung. Per Los wurde über die Reihenfolge entschieden. Zuerst waren einige Szenen von Alexander R. Schweiß zu hören, Komponist und Theatermacher, dann gab es Musik der Gesangspädagogin und Komponistin Eva Kuhn, zum Schluss war die Version der Pianistin und Komponistin Joanna Lohmann zu hören.

Für die Interpretinnen der Titelrollen Rico und Oskar eine dreifache Herausforderung, der sich Marie Bieber und Marie-Audrey Schatz gerne gestellt haben. „Ich finde alle drei Kompositionen komplett unterschiedlich, deswegen ist es sehr spannend, das als Interpretin zu entdecken. Einfach wahnsinnig interessant, wie die drei Komponisten mit dem Text umgehen“, resümiert Marie-Audrey Schatz. Und Marie Bieber fügt an: „Ich finde es auch spannend, welche der unterschiedlichen Emotionen und Gedankengänge dann doch auf ähnliche Weise artikuliert werden, wo sich bestimmte Tonarten gleichen oder die Phrasen dieselben sind, und an welchen Stellen gar nicht. Und natürlich machen uns beim Singen gerade die Stellen, wo die Unterschiede recht groß sind, den meisten Spaß.“

Die Geschichte freilich ist stets dieselbe. Rico und Oskar werden Freunde, der eine erweist sich als hochbegabt, trägt zum Schutz gegen etwaige Risiken ständig einen Helm, der andere bezeichnet sich selbstbewusst als tiefbegabt und scheut keinerlei Risiken. Während sie einen Kindesentführer stellen, lernen sie ihre jeweiligen Unterschiede kennen und schätzen. Die beiden Sängerinnen sind vom Wettbewerb und dessen ins Finale gelangten Einreichungen fasziniert: „Es gibt eine Komposition, die bei mir einfach Favorit ist, weil ich weiß, dass die bei Kindern funktionieren wird“, mein Marie-Audrey Schatz. „Ich hab schon Kinderopern gemacht und ich weiß, das wird absolut funktionieren.“ Marie Bieber fügt an. „Das Format hier ist super. Das kenne ich sonst nirgends, dass überhaupt innerhalb eines solchen Wettbewerbs verschiedene Sachen aufgeführt werden. Dass man die Chance hat, schon mal verschiedene Szenen vor Publikum aufzuführen und dessen Reaktionen mitzubekommen, das ist total einmalig. Ich glaube, das ist auch für die Komponisten selbst super wertvoll.“

Am Ende der Matinee, nach gut zwei Stunden Aufführung, Gespräch und Jurysitzung, kann es eigentlich nur Gewinner geben. Statt zweitem und drittem Platz teilen sich Joanna Lohmann und Alexander R. Schweiß zwei zweite, mit nunmehr jeweils 3.000 Euro dotierte Plätze. Als Siegerin freut sich Eva Kuhn nicht nur über das Preisgeld von 5.000 Euro und die Aussicht auf eine Aufführung ihrer Oper »Rico, Oskar und die Tieferschatten« an den Landesbühnen Sachsen, sondern insbesondere über den gewaltigen Zuspruch: „Ich bin total glücklich, also ich freu mich riesig. Kindermusiktheater, ist etwas, das mir ganz stark am Herzen liegt. Ich bin ja auch Schulmusikerin und Pädagogin. Beim Musiktheater fühl ich mich zu Hause. Diese beiden Sachen kombinieren zu können, find ich einfach fantastisch.“

Das Libretto zu »Rico, Oskar und die Tieferschatten« stammt von Christian Schönfelder. Eva Kuhn hat sich aber vor allem vom Original des Schriftstellers Andreas Steinhöfel inspirieren lassen. „Das Buch kannte ich vorher tatsächlich noch nicht, das hab ich dann gelesen, und war sehr begeistert. Ich fand’s auch sehr spannend, auf welche Weise und mit welcher Leichtigkeit dort Werte vermittelt werden.“

Die Wettbewerbssiegerin hat die namhaft besetzte Jury überzeugt. Darunter war auch Moritz Eggert, einer der bekanntesten und vielseitigsten Komponisten nicht nur von Opern, sondern auch von Kammer- und Orchestermusik. Er würdigte Eva Kuhns Arbeit nach der Preisverleihung folgendermaßen: „Was sie besonders gut gemacht hat, sie hat die Figuren mit Melodien charakterisiert. Das ist eine besondere Kunst beim Opernschreiben, die äußerst wichtig ist, dass man eben nicht für jede Person auf der Bühne gleich komponiert. Das hat uns schon Mozart sehr gut vorgemacht, und das hat eben Eva Kuhn sehr gut gestaltet, wie man dann auch bei der Performance gemerkt hat, dass die Sängerinnen und Sänger sich so richtig in die Rollen hineingesteigert haben. Man hat sich schon so ein bisschen vorstellen können, wie das auf der Bühne dann wird und das hat sehr gut gewirkt.“

 Nicht nur die Jury, auch die Gäste der Matinee waren von diesen Kostproben begeistert. Andreas Steinhöfels Buch »Rico, Oskar und die Tieferschatten« wird also zur Oper von Eva Kuhn, der Gewinnerin dieses zweiten Kompositionswettbewerbs der Landesbühnen Sachsen. Die Uraufführung ist für 2026 vorgesehen.