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Freiheit und wie sie bekämpft wird

Über das Förderprogramm »So geht sächsisch« haben sich in den vergangenen Wochen über sechzig Künstler aus verschiedenen Sparten und Genres auf der Streamingplattform »Dreamstage« vorgestellt. Heute Abend erklingt „Eine multimediale Sehnsuchtssinfonie für die Freiheit“, konzipiert von dem Dresdner Schauspieler und Produzenten Johannes Gärtner.

Johannes Gärtner, in den beiden Produktionen über Schillers Ode »An die Freude« und nun dem »Freiclang« sind Sie momentan auf Jan Voglers Dreamstage-Plattform zu erleben.

Ja, das Schiller-Programm »Freiheit – schöner Götterfunken« haben wir im Schloß Albrechtsberg, das »FREICLANG«-Programm im Cosel-Palais aufgenommen. Beide Programme habe ich für das Streaming-Format eingerichtet und von der Länge her etwas eingedampft.

Die Plattform stellt die Technik, die Künstler spenden die Inhalte – und das Publikum guckt weltweit zu.

So ist es. Wobei unsere Programme einen größeren Textanteil haben, also eher an ein deutschsprachiges Publikum gerichtet sind. Über die Dreamstage-Plattform haben wir die beiden Programme quasi als Mitschnitte vorproduziert, einmal mit Greenhouse Productions vom Weißen Hirsch und dann mit einem Team von Dresden Fernsehen. Das lief sehr professionell; klassische Orchestermusiker gut zu mikrofonieren ist ja nicht einfach.

»Music from Saxony« – so der Titel der Dreamstage-Serie – die finden wir aber auch in beiden Programmen. Wie sind denn die Ensembles zusammengesetzt?

Bei Schiller sind es vier Sänger, ein Klavierquintett und ich als Schauspieler. Das Programm präsentiert zehn verschiedene Vertonungen der Ode. Die allererste Vertonung hat Schiller selber geschrieben, zur Gitarre, davon haben wir nur ein ein paar Takte. Die erste vollständige Ode ist von Körner, die zweite von Johann Gottlieb Naumann. Danach Friedrich Franz Hůrka, hier haben wir den Bezug zu Tschechien. Dann natürlich die von Carl Friedrich Zelter… und auch eine von Franz Schubert! Der dramaturgische Bogen wird über Schillers Aufenthalt in Dresden geschlagen. Körner nimmt ihn hier auf – die „Groupies“ haben ihn ja quasi bekniet, dass er hierbleibt. Schiller gefiel es, dass er mal trocken und warm schlafen konnte. Nach drei Jahren nervte ihn Dresden aber ganz schön. Nach einer unglücklichen Liebe zu einer Hofschranze wurde er nach Tharandt ausquartiert. Am Ende unseres Programms bekommt er die Einladung von Goethe und Anna Amalia nach Weimar und ist ganz froh, abreisen zu können. Körner blieb ihm aber lebenslang ein wichtiger Briefpartner, auch als dieser dann nach Berlin ging.

In Tharandt beendete Schiller seinen »Don Carlos«, im Frühling 1787.

»Don Carlos« gäbe es nicht ohne Körner. Es ist verbürgt, dass er große Teile hier in Loschwitz geschrieben hat. Die Gespräche mit Körner spielen dabei eine wichtige Rolle. Welches Verständnis haben wir etwa vom Bürgertum? Körner hilft als vermögender Mann uneigennützig aus und ermöglicht es Schiller, zum ersten mal frei zu arbeiten. Im Programm gehen wir von der privaten Zeit hier in Dresden aus, wagen einen Ausblick zu Wilhelm Tell – und zu „Geben Sie Gedankenfreiheit, Sir!“. Die Szenen wirken, als wären sie erst gestern geschrieben. Manche der Schillerschen Worte würde man gern vielen amtierenden Politikern ins Stammbuch schreiben. Was ist Freiheit, wie gehen wir miteinander um – und was kann die Kunst bewirken? Kunst sollte ja zuallererst ein ideologiefreier Raum sein. Gestern fragte mich mein Optiker, wie es einem Theatermacher in solchen Zeiten ergeht. Ich sagte ihm: Wir Künstler sind doch nicht dazu da, etwas zu illustrieren. Bei der Kunst geht’s in erster Linie nicht ums Wahre und Richtige, sondern ums Schöne. Ich weise als Künstler darauf hin, dass wir uns Gedanken um die Welt machen, aber aus dem Blickwinkel des Ästhetischen.

Mit diesen Ideen geht auch das »FREICLANG«-Programm schwanger.

Hier war die Ausgangs-Idee, ein aktuelles Programm zum Thema Freiheit zu machen, in dem digital musiziert wird. Wir legen den zehn Musikern und der Sängerin Tablets hin, der Dirigent macht seine Eintragungen von fern – das funktioniert wie eine Art vernetztes Notenpult. Der Dirigent Cornelius Volke wollte das unbedingt ausprobieren, hat es mit verschiedenen Apps probiert und damit – jedenfalls zu Beginn – die Nerven der Musiker sehr gefordert. Aber es sind wichtige Entwicklungen, und das passt ja auch gut zu dem Dreamstage-Gedanken. Und mittlerweile klappt es schon sehr gut.

Das »FREICLANG«-Ensemble um Johannes Gärtner (Fotos: PR)

Inhaltlich dreht sich das Programm um die Frage: Was ist Freiheit? Wir handeln das in drei Teilen ab: Erstens mit der Schauspielmusik zu »Egmont«, eingerichtet für ein Zwölf-Mann-Orchester. Ich habe von Grillparzers Bearbeitung des Stoffes eine Einmann-Version zusammengestellt. Wie politisch engagiert ist der Einzelne? Zieht man sich ins Private zurück, oder geht man auch mal zu einer Demo, wo und wie engagiert man sich? Goethe hat viele dieser Gedanken hellsichtig vorweggenommen. Zweitens geht’s um das Gespräch von Gessler und Tell. Wo beginnt der zivile Ungehorsam? Was sagen uns heute Sätze wie: „Die Gunst muss erst erworben werden durch Gehorsam.“ Der dritte Teil dreht sich um ganz verschiedene Gedichte von mir selbst, von Fallersleben und Georg Herwegh (1817-1875), einem höchst interessanten Dichter, den ich für mich erst vor kurzem wiederentdeckt habe. Wir streifen dabei auch die Karlsbader Beschlüsse und viele andere Ereignisse der mitteleuropäischen Geschichte, wobei ich keine Parallelen ziehe zu heute. Die darf gern das Publikum ziehen… Freiheit also, was sie ist, wie sie bekämpft wird, wie man sie leben kann und wie man heute seine Bedürfnisse artikulieren kann, darum dreht sich unser »FREICLANG«. „Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnis des fremden Wollens ist die Grundmaxime des freien Menschen.“ (Rudolf Steiner). Als wir das letztens live gespielt haben, kamen einige Zuschauer mit Tränen in den Augen hinter die Bühne und sprudelten über. Unser Redebedarf darüber ist doch in der ganzen Gesellschaft immens. Letztlich sind es eher die großen Fragen, die uns am Leben erhalten und nicht das klein-klein des Alltäglichen. Es geht mir um ein „Zurück zur Natur“, aber weniger nur im Sinne des Windrads, als eher im Sinne von Goethes Naturanschauung: Ein Zurück zur Menschlichkeit.

Transportieren sich solche Gedanken und Gefühle überhaupt über ein Streaming? Ich habe das Gefühl, inzwischen sind wir nach einer euphorischen Zeit des Ausprobierens eher ernüchtert.

Diese Beobachtung teile ich. Letztendlich ist das Streaming ja ein Erleben ohne echte Erfahrung. Das Publikum will das echte Erlebnis, will den Schweiß des Schauspielers riechen. Wie viele Zuschauer der Schiller-Abend bei Dreamstage hatte, weiß ich ehrlich gesagt auch gar nicht, da muss ich gleich einmal nachfragen. Aber ein großer Gewinn ist natürlich das mitgeschnittene Material, das wir nun für Trailer und ähnliches zur Verfügung haben. Die „echte“ Musik, das ergreifende Schauspiel, das bekommen unsere Zuschauer in den nächsten Wochen wieder auf den inzwischen schon traditionellen Sommertourneen von CERCA DIO und ab Herbst auch wieder in Dresden, im Saal am Palais Großer Garten, im Chinesischen Pavillon und auf einer kleinen Tournee durch Sachsen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Der Mitschnitt des »Freiclang«-Programms wird auf der Dreamstage-Plattform am Sonntag, dem 8. August, ab 21 Uhr gesendet.