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Die Herrlichste von allen

Die Legenden sterben aus. Wer ihnen begegnet ist, muss damit leben. Christa Ludwig war eine begnadete Sängerin. Nun ist sie gestorben, 93jährig in ihrer Wahlheimat in der Nähe von Wien.

Christa Ludwig 2015. Foto: Franz Johann Morgenbesser (Wien), CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons

Die am 16. März 1928 in Berlin geborene Künstlerin darf völlig zu Recht legendär genannt werden. Schon zu Lebzeiten setzte sie Maßstäbe in ihrem Stimmfach sowie im Umgang mit ihren Erfolgen. Wesentlich geprägt von Heroen wie Karl Böhm, Herbert von Karajan und Leonard Bernstein, absolvierte die Mezzosopranistin eine grandiose Karriere. Der letztgenannte dieser drei Dirigenten galt ihr einst als der „Herrlichste von allen“. Sie war an den großen Opernhäusern der Welt quasi zu Hause, wurde gefeiert in Europa ebenso wie in Übersee. Namentlich die großen Häuser in Nordamerika brachten ihr große Erfolge.

Doch während der fast ein halbes Jahrhundert währenden Sängerinnenlaufbahn wurde vor allem die Wiener Staatsoper zu einem Tempel ihrer Gesangs- und Darstellungskunst. Das Debüt von Christa Ludwig erfolgte hingegen in Gießen. Als 17-Jährige sang sie dort erstmals vor Publikum. An der Oper Frankfurt debütierte sie bald darauf als Prinz Orlofsky in der Operette »Die Fledermaus« von Johann Strauß.

Der Ausgangspunkt für eine Karriere, die sie an der Seite von Maria Callas, Plácido Domingo, Dietrich Fischer-Dieskau, Luciano Pavarotti sowie Fritz Wunderlich und vielen, vielen anderen auf die bedeutendsten Bühnen geführt hat. Ob Bayreuther Festspiele oder Covent Garden in London, ob Mailänder Scala oder Met in New York – Christa Ludwig war überall. Überall präsent und souverän.

In Dresden wurde die stets charmante Sängerin 2008 mit dem Saeculum-Preis der Musikfestspiele geehrt. Die Festrede in der Semperoper hielt damals Joachim Kaiser, der Grandseigneur der deutschen Musikwissenschaft. Ein wahrer Kenner ihrer Stimme und bekennender Verehrer dieser wissenden Kunstausübung. Ihm sowie zahllosen Verehrerinnen und Verehrern von Christa Ludwig dürfte diese wunderbare Frau als die „Herrlichste von allen“ gegolten haben.

Natürlich wollte die ebenso sympathische wie umfassend interessierte Preisträgerin tags drauf auch einen Blick in die Staatlichen Kunstsammlungen werfen, wo sie am Eingang allerdings von einem adoptierten Adelsmann abgepasst wurde. Als der bajuwarische Mexikaner sich so selbstbewusst wie unbeholfen mit einem „von Sachsen“ vorstellte, lachte Christa Ludwig hell auf und meinte, „da heißen Sie ja so wie das Land“ – und ließ ihn links liegen. Von selbsternannten Legenden hat sie nie etwas gehalten.