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99 + 18 = 498?

Die Sinfonie Nr. 99 Es-Dur von Joseph Haydn, eine der Londoner Sinfonien, und das Streichquartett G-Dur op. 18 Nr. 2 von Ludwig van Beethoven – zwei Werke aus den 1790er Jahren haben gestern das konzertante Corona-Schweigen beendet.

Endlich wieder Live-Musik in einem echten Konzert, das man gemeinsam mit anderen Menschen erleben kann? Also kein Streaming im Internet, sondern ganz reale Konzertatmosphäre wie früher? Das scheint ja eine gefühlte Ewigkeit her zu sein, auch wenn die Häuser in Wirklichkeit erst Mitte März geschlossen worden sind. Inzwischen dreht sich die Welt in eine neue Normalität, da dreht die Klassikszene gerne mit.

Ganz vornan schraubt sich die Dresdner Philharmonie wieder in den Spielbetrieb hinein. Mit gleich zwei Konzerten im Abstand von nur gut einer Stunde hat das Orchester »Freude« vermitteln wollen. So jedenfalls der programmatische Titel dieses Abends. Man darf mutmaßen, dass auch die Musikerinnen und Musiker selbst ihre Freude daran hatten, endlich wieder miteinander und vor dem gewohnten Stammpublikum zu musizieren.

Letzteres kam allerdings eher spärlich in den Konzertsaal. Von etwa 1.800 Sitzplätzen durfte nur knapp ein Drittel verkauft werden, alle anderen waren mit der Aufschrift »Bitte freihalten« verhüllt. Das leidige Abstandsgebot. Doch leider waren selbst die verfügbaren 498 Plätze nicht restlos besetzt, somit durchzog den Saal dann doch etwas Gespenstisches. Zumal nicht nur das Publikum, sonder auch die Orchestermitglieder mit Mund- und Nasenschutz bis zum Platz kommen mussten. Doch daran wird man sich gewöhnen können.

Schwieriger ist das mit der Leere und dem räumlichen Abstand. Auf der großen Bühne nahmen die Stühle und Pulte so umfassend Platz ein, als gälte es, eine Bruckner- oder Mahler-Sinfonie aufzuführen. Doch es ging nur um eine bescheidene Haydn-Besetzung. An Stelle von Beethovens sinfonischem Erstling in C-Dur stand Haydns 99. Sinfonie in Es, ein hier und da quirliges, durchweg aber sehr bläserlastiges Werk mit jeweils zwei Trompeten und Hörnern, Flöten, Klarinetten, Oboen und Fagotten. Wie, bitte, sollte bei deren Entferung noch ein Gesamtklang erzielt werden? Berechtigte Frage, auf die Maestro Marek Janowski die einzig richtige Antwort gab: Moderate Tempi, akribische Umsicht bis hin zu den letzten Pulten, exakte Zeichengabe; schon waren beste Balance und Durchmischung garantiert.

Dennoch ist diese 1793 entstandene Sinfonie ein Risiko gewesen. Denn sie stand im Kontrast zu Beethovens nur sechs Jahre später geschaffenem Streichquartett, dass die Perfektionisten vom Ébène-Quartett mit strahlender Virtuosität in den Raum stellten. Dass vier bestens aufeinander eingespielte Musikerpersönlichkeiten solch einen Wurf bestens nuanciert hinbekommen würden, stand außer Frage und wurde bis hin zum strahlenden Finale in graziler Spielfreude bewiesen.

Ein ähnlich perfektes Kommunikationsvermögen legte aber auch die Philharmonie an den Tag – und hat somit das Motto dieses Konzertes mit Leben erfüllt: »Freude«.