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Operettenblut in den Adern

Foto: Jens Großmann

Die sächsischen Theater haben die Spielzeit 2019/20 beendet. Ob die kommende Saison wie geplant starten kann, steht momentan in den Sternen. Trotzdem wurden und werden Spielpläne geschmiedet und der Öffentlichkeit vorgestellt. Hoffnung als Wegzehrung für ein kulturhungriges Publikum.

Die Staatsoperette Dresden plant für 2020/21 nur vier Neuproduktionen, hat aber mit Johannes Pell einen neuen Chefdirigenten ans Orchester verpflichtet, der die Nachfolge von Andreas Schüller antreten soll. Unglückliche Umstände, anders kann man sie nicht bezeichnen, haben es mit sich gebracht, dass der neue Chef schon jetzt nach Dresden wechseln konnte. Denn auch sein bisheriges Theater in Wuppertal, wo Johannes Pell offiziell noch als Erster Kapellmeister beschäftigt ist, hält die Pforten derzeit geschlossen.

Beste Gelegenheit also für einen vorzeitigen Umzug nach Dresden. Und auch für ein erstes Gespräch mit dem zukünftigen Orchesterchef. Der sofort gesteht, dass er die momentanen Umstände ganz persönlich als glücklich ansieht: „Ich hatte sowieso geplant, dass ich jetzt in Elternzeit gehe, wir haben Nachwuchs bekommen, unser zweites Kind. Just an dem Tag, als ich in Elternzeit ging, hatte mein voriges Theater in Wuppertal geschlossen. Nun gibt es viel Ruhe, viel Zeit mit dem Kind, das ist ganz wichtig.“

Dennoch vermisst er natürlich die Arbeit, würde gern wieder loslegen, weiß aber, wie wichtig – gerade in Zeiten wie diesen – der Bezug zur Familie ist: „Natürlich juckt es manchmal in den Fingern, in den Armen, man möchte schon gerne was machen, der Wunsch kommt jetzt immer stärker. Aber es ist auch schön, Zeit mit der Familie zu haben und sich wirklich ganz bewusst darauf einzulassen.“

Johannes Pell stammt aus Linz, hat dort sowie am Mozarteum Salzburg studiert und begann seine Karriere am Theater an der Wien. Vor seiner Zeit in Wuppertal ist er Kapellmeister in Erfurt gewesen. Der deutsche Osten und auch Dresden sind für ihn also kein Neuland. Er schwärmt sogar schon von dieser Stadt: „Ich war mehrmals in Dresden, das war für mich schon immer ein wahnsinnig interessanter Ort. Als diese Stelle dann ausgeschrieben war, hab ich gedacht, jetzt werfe ich meinen Hut in den Ring, weil das ja genau das verkörpert, was mich so wahnsinnig interessiert.“

Was ihn an diesem Haus interessiert, das ist die ausdrückliche Pflege von Operette und Musical. An einem Haus allerdings, das Johannes Pell dann doch überrascht hat: „Dann kam ich hierher, sehe ein neues Gebäude – und in Zeiten wie diesen! Das erinnerte mich an Erfurt, wo 2003 ein neues Haus eröffnet wurde, übrigens vom selben Architekten. Damals hatte ich wirklich gedacht habe, so etwas wird in den nächsten Jahren nicht so rasch wieder geschehen. Also, ich war fasziniert und bin echt begeistert, auch von der Stadt Dresden, dass es solch ein Statement noch gibt!“

Dieses Statement muss für den 38jährigen Dirigenten wie eine Einladung gewirkt haben. Denn er bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle und trat in einem langen Bewerberverfahren gegen 80 weitere Dirigenten an, darunter auch zwei Dirigentinnen.

„Ich wusste gar nicht, dass es insgesamt 81 Bewerbungen gab. Das hab ich erst jetzt aus der Zeitung erfahren. Das ist natürlich ein großes und starkes Gefühl.“ Inzwischen hat er erste Eindrücke von seinem künftigen Orchester sammeln können. Was ihn in seiner Vorfreude nur mehr bestärkt. Er vergleicht die Staatsoperette mit der Musikalischen Komödie in Leipzig und mit der Volksoper in Wien. Ob seine Herkunft aus dem Heimatland der Operette bei der Wahl eine Rolle gespielt hat? Wenn ja, würde das natürlich nie jemand verraten. Dass sie durchaus hilfreich sein kann, weiß der Dirigent aber schon.

„In Österreich hat das halt einen hohen Stellenwert. Man hört Johann Strauß, ob man ansonsten Pop oder Techno mag, das spielt keine Rolle. Man kommt einfach nicht drum herum. Natürlich ist das nicht die einzige Voraussetzung, aber es hilft freilich schon. Man bekommt diese Musik sozusagen in die Wiege gelegt.“

Die ersten Neuproduktionen, die Johannes Pell an der Staatsoperette dirigieren wird, stehen schon fest: »Die lustigen Weiber von Windsor« von Otto Nikolai sowie eine Rarität, die »Polnische Hochzeit« von Joseph Beer. Das ist eine echte Entdeckung, auch für Johannes Pell. Bleibt nur zu hoffen, dass die neue Spielzeit der Staatsoperette dann auch wirklich wie geplant beginnen kann.

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