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Brüder im Jazz

Hinterm Horizont geht’s weiter. Aber vermutlich beginnen die wahren Rätsel des Lebens da erst. Neugierige Menschen wollen natürlich wissen, wie es dort und überhaupt weitergeht. Sie wollen hinter die Oberfläche, nötigenfalls in Abgründe blicken, wollen ausloten, was die Welt im Innersten …

Das Jazz-Duo CEEYS scheint genau für solche Leute gemacht zu sein. Es hat jetzt seine vierte CD vorgestellt, die vom Welterkunden und der Sehnsucht nach dem Vertrauten kündet. Nach »Waende« zum mehr oder minder leicht assoziierbaren Thema der Berliner Mauer heißt die nun »Hiddensee«, was zunächst einmal überhaupt nicht rätselhaft anmutet. Die in Berlin geborenen und heute in Potsdam lebenden Brüder Sebastian und Daniel Selke haben sich auf die Reise an prägende Orte begeben und an den Wegstrecken jede Menge Klangkunst gepflückt.

Wer nun aber Meeresrauschen und Möwenkreischen erwartet, liegt falsch. Ohnehin dürften ja fast alle Hiddensee-Gäste sehr eigene, teils grundverschiedene Erinnerungen an das schmale Ostsee-Eiland in sich bewahren. Selke und Selke haben die Ihren zum Klingen gebracht, der eine Bruder am Cello, der andere am Klavier. Mitunter sollen sie, was auf der CD freilich nicht nachzuvollziehen ist, die Instrumente auch miteinander getauscht haben.

Vor allem aber haben sie offenbar ganz tief in sich hineingehört, die biografischen Eindrücke geprüft und dabei ergründet, was prägend war und ist in ihrem Leben, was davon hörens- und mitteilenswert werden könnte. Im Resultat umfasst das ein ziemliches Spektrum vom »Trabanten« bis hin zum »Helikopter«. Letzterer klingt saitenschwingend tatsächlich so, als würde er gleich starten und abheben. Ersterer ist glücklicherweise nicht zu erriechen, bezieht sich aber tatsächlich auf den Zweitürer aus Zwickau. CEEYS, auch im Bandnamen verrätselt, hat Reiseeindrücke auf diese Scheibe gepresst, die schwer beladen mit Erinnerungen und Träumen zu sein scheinen. Schlussendlich aber doch immer wieder auf die schönste deutsche Insel zielen, wo ein kleines Stückchen ewiger Kindheit bewahrt zu sein scheint.

Umgesetzt wird das Ganze in einer Vielfalt aus Ambient und Elektronik, saitenweise in Experimenten der Klangerzeugung mitsamt digitaler Verfremdung, ein unaufgeregtes, aber ergreifendes, mitunter gar perkussiv und / oder vergeistigt mitreißendes Zusammenspiel dieser Brüder im Jazz. Das titelgebende Stück findet sich auf der CD (Neue Meister 0301150NM) ganz am Ende. Dort stimmt es zurückhaltend heiter – und könnte immer so weitergehen. Bis hinter den Horizont vielleicht.

Dresden-Konzert von CEEYS am 20. September im Atelier Schwartz, Förstereistr. 3