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„Wir wollen Spaß an klassischer Musik haben!“

Jonathan Howard (4.v.l.) im Kreise der Kollegen. Fotos: Marco Borggreve

Jonathan Howard, in diesem Jahr feiern die King’s Singers ihr 50- jähriges Jubiläum. Nur wenige Ensembles bleiben über einen so großen Zeitraum aktiv und beweisen immer wieder höchste Qualität. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für den langanhaltenden Erfolg des Ensembles?

Ich denke, es gibt drei besondere Gründe dafür. Der Erste ist unser Gruppenklang. Wir versuchen nicht wie sechs Solisten zu singen, sondern wie ein Ensemble. Anders gesagt, möchten wir nicht wie sechs Instrumente, sondern wie ein Instrument mit sechs klingenden Saiten sein. Der zweite Grund ist, dass wir unterschiedliche Musik aus der ganzen Welt mit den Zuhörern teilen. Wir singen nicht nur Stücke aus Frankreich oder England und wir gestalten auch nicht nur Kompositionen aus der Renaissance oder der Moderne, sondern wir versuchen so viele unterschiedliche Dinge wie nur möglich in unser Programm aufzunehmen. Dann langweilt sich das Publikum weniger. Der dritte Grund ist, dass wir immer viel Spaß auf der Bühne haben. Wir sprechen mit unserem Publikum, machen stets Ansagen, tanzen ein bisschen und lachen sehr viel. Wir sind immer die doofen Engländer. Und wir wollen einfach immer Spaß an klassischer Musik haben!

Was haben Sie mit den anderen King’s Singers anlässlich des Jubiläums noch erlebt?

Wir feiern das Jubiläum über viele Monate. Im Laufe der ganzen Saison gestalteten wir innerhalb von 14 Monaten 155 Konzerte mit unserem „Gold“-Programm. Wir waren überall unterwegs, unter anderem in den USA, Kanada, Südkorea, Singapur und jetzt auch Deutschland. Das ist tatsächlich besonders schön. Als Kind habe ich lustigerweise immer Deutschlandreise mit meinen Eltern gespielt und jetzt sehe ich alle meine Lieblingsstädte von damals.

Für die Frauenkirche haben wir Stücke ausgesucht, die in diesen Kirchenraum passen. Wir sind gern in Dresden, aber leider viel zu selten. Die Akustik in der Frauenkirche ist wunderbar. Es ist nicht leicht, und wir müssen in den Ansagen sehr laut und langsam sprechen, aber man hat so eine besondere Verbindung zum Publikum, dadurch, dass alle rundherum positioniert sind und man so viel Kontakt mit ihnen haben kann.

Es gibt 20 ehemalige King’s Singers. Werden in der Frauenkirche auch frühere Ensemblemitglieder zu hören sein?

Nein, leider nicht. Aber es gab einige Konzerte, wie in Paris, London und Cambridge, in denen einige von ihnen anwesend waren. Und in Paris war es, dass wir auch zwei Lieder zusammengesungen haben. Es war beeindruckend, denn einige sind inzwischen schon alt, aber sie haben sich beim Singen an alles erinnert: Wie man atmet, phrasiert oder zusammen klingt. Das hat sehr viel Spaß gemacht.

Gibt es Programmpunkte im Konzert in Dresden, auf die Sie sich besonders freuen?

The King’s Singers 2017
Photo: Marco Borggreve

Oh, wir sind sechs King’s Singers, und für jeden von ihnen wird es etwas anderes sein, auf dass er sich am meisten freut. Ich persönlich liebe ja „We are“. Dieses Lied wurde im letzten Jahr von dem ehemaligen King’s Singer Bob Chilcott für uns geschrieben. Es hat ganz viel Energie und beschreibt, dass wir uns alle mehr ähnlich sind, als dass wir unähnlich sind. Es ist so schön, dass wir durch die ganze Welt reisen können, um dieses Thema zu teilen. Egal, wie wir aussehen, was wir machen oder welche Hautfarbe wir haben. Wir sind uns alle viel ähnlicher, als wir denken.

Bleiben wir noch kurz in der Vergangenheit. Gibt es eine Tradition, die bei den King’s Singers entstanden ist und sich über die Generationen gehalten hat?

Ja natürlich! Unsere persönliche King’s Singers Tradition hat sich nie verändert. Es war immer sehr locker. Schon die ersten sechs wollten es immer ziemlich locker haben. Wir singen manchmal neuere Musik und sind jetzt auch wieder ganz jung, aber die Seele ist fast die gleiche. Die alten originalen King’s Singers haben sich schon als Teenager gekannt und immer Spaß zusammen gehabt und das ist bis heute das Wichtigste: Dass man Spaß zusammen haben kann! Und es ist natürlich wie bei dieser besonderen reinen Klangfarbe des Ensembles. Die Mischung muss einfach stimmen.

Ihrem Klangbild sind die King’s Singers über die Jahre also stets treu geblieben. Gibt es vielleicht programmatische Schwerpunkte, die sich in den letzten Jahren verändert haben?

Wir hatten immer schon eine ziemlich interessante Mischung von Stimmen, mit zwei Countertenören, einem Tenor, zwei Baritons und einem Bass, deswegen musste immer viel arrangiert werden, besonders die modernen Songs. Viele sind von den originalen King’s Singers arrangiert, aber es gab auch immer schon viele Neukompositionen für diese besondere Mischung.

Jede Gruppe hat wahrscheinlich mal Momente, in denen es zu Streit kommt. Ist das bei euch ähnlich?

Eigentlich ziemlich selten. Bei uns gibt es keinen Leader, wir sind alle gleich wichtig, jeder ist ein Dirigent. An jedem Konzerttag versuchen wir mindestens für zwei Stunden zu proben, aber in der Zeit sprechen wir für mindestens eine Stunde. Wir sprechen über alles und auch darüber, was jeder von uns für Vorstellungen hat und wie wir diese umsetzen können. Jeder wird gehört und hat die Möglichkeit seine Idee umzusetzen. Die Gruppe ist als Team verantwortlich für die Konzerte.

Timothy Wayne-Wright und Christopher Gabbitas haben das Ensemble nun über viele Jahre mitgeprägt und werden die King’s Singers 2019 verlassen. Was waren Gründe für diese Entscheidung?

Timothy und Christopher waren lang dabei, aber wünschen sich mehr Zeit zuhause. Die beiden haben Familie und Kinder und wollen mehr mit ihnen zusammen sein. Aber wir haben unsere zwei neuen King’s Singers gefunden. Jetzt sind wir dabei, für neun Monate mit ihnen zu arbeiten und ab Januar werden sie mit uns singen.
Und auch im neuen Jahr haben wir spannende Programme vor uns. Mehr darf ich eigentlich nicht sagen, aber es gibt nächstes Jahr mindestens drei lohnenswerte, aufregende Programme.

Ist es denn überhaupt möglich, das Privatleben mit dem Leben als King’s Singer zu kombinieren? Schließlich sind Sie so beschäftigt und viel unterwegs!

Ja, Sie haben Recht. Da wir unser Programm aber selber machen, können wir auch die Konzerte selbst so legen, wie wir sie brauchen. So konnten wir in den letzten Wochen neben den vielen Konzerten auch mal elf Tage am Stück zu Hause sein. Das war eine schöne Zeit. Und auch wenn wir in den nächsten 72 Tagen noch über 40 Konzerte haben, sind wir über Weihnachten drei Wochen bei unseren Familien.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls erstmal ganz viel Freude in der Frauenkirche. Wohin werden Sie denn danach konzertieren?

Oh, wir sind überall! Erstmal in Deutschland, dann in Österreich, in der Schweiz, wieder in Österreich, in Estland, Ungarn, London, Holland, Italien, Schweden, Finnland und kurz vor Weihnachten in den USA.

Vielen Dank für das Gespräch.

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