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„Die Oper von innen heraus erneuern“

Foto: PR
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An der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden gibt es dafür die Opernklasse. Sie hat erst kürzlich wieder für Aufsehen gesorgt und die Oper „Treemonisha“ von Scott Joplin herausgebracht. Über viele Jahre hat Professor Andreas Baumann diese Klasse geleitet, Ende Mai wird er mit einer Operngala offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Seine Nachfolge hat mit Beginn des Sommersemesters die 1956 im Taunus geborene Musikwissenschaftlerin, Dramaturgin und Regisseurin Barbara Beyer angetreten. Zuvor war sie als Professorin in Graz tätig.

Wie es scheint, ist Barbara Beyer an der Elbe schon angekommen. Sie konzentriert sich ganz auf die Musikhochschule und hat bereits sehr konkrete Vorstellungen von ihrer Arbeit mit den Studenten: „Ich bekomme eine erste Idee. Ganz konkret gibt es den szenischen Unterricht mit viel Arbeit – ein sehr sinnvoller Unterricht, sehr praxisnah durch die gemeinsame Erarbeitung von Szenen.“

Im Umfeld der durchaus überraschenden Joplin-Produktion befand sich die Opernklasse in einer Situation des Transits. Fest steht schon jetzt, dass sich die Kunsthochschulen der Stadt auch künftig am kulturellen Leben Dresdens beteiligen werden. Barbara Beyer betont, dass pro Jahr eine große Produktion am Staatsschauspiel vertraglich verabredet sei. 2016 werde dies Benjamin Brittens „Sommernachtstraum“ sein.

Bei so langfristiger Planung sieht die Professorin durchaus auch Probleme, mit denen sie umgehen muss: „Nicht immer bezieht sich das Engagement der Studiosi ausschließlich auf Dresden. Sie gehen Verpflichtungen anderenorts ein, was sicherlich mit dem guten Ruf der hiesigen Hochschule zu tun haben dürfte.“ Dass der Lehreinrichtung dadurch aber begabte Sängerinnen und Sänger abhanden kommen, weil sie von die von verschiedenen Häusern angefragt und für deren Produktionen gebraucht werden, bringt Frau Beyer in einen Zwiespalt: „Ich erlebe das natürlich auch schmerzlich. So begrüßenswert es ist, dass sie Kontakte und Praxiserfahrungen bekommen, so müssen wir doch darauf achten, dass die Ausbildung in einem ordentlichen Maß und auf hohem Niveau stattfindet.“

Als Regisseurin weiß Barbara Beyer ganz genau, wovon sie spricht. Die aus Hessen stammende Frau ist deutschlandweit sowie darüber hinaus in Österreich und der Schweiz tätig und verbindet die jahrelange Erfahrung von Theorie und Praxis in ihrem Opernhandwerk. Die Schwerpunkte setzt sie folglich recht umfassend: „Ich war fünf Jahre an der Hochschule in Graz in dieser Funktion tätig. Es ist natürlich essentiell für Studierende, dass sie auch lernen, sich auf der Bühne zu verhalten. Dazu muss Musikdramaturgie komplex vermittelt werden, auch inhaltlich, wie eine Szene, eine Figur zu verstehen ist. Erst wenn die Sensibilität dafür entwickelt ist, kann die praktische Umsetzung dieser Szenen erfolgen. Wir müssen dafür durchaus verschiedene Regiesprachen thematisieren und ein Bewusstsein dafür wachrufen, dass es extrem unterschiedliche Denkweisen gibt. Hier herrscht keine absolute Wahrheit.“

In Zeiten, da es Theater und insbesondere Musiktheater nicht immer ganz einfach hat, macht sich die regieführende Hochschullehrerin natürlich auch Gedanken um die beruflichen Perspektiven ihrer Zöglinge. Sie weiß: „Es wird schwieriger für sie. Umso wichtiger ist es, dass sie gut ausgebildet werden. Hier herrscht ein sehr hohes Niveau und es gibt eine ganze Reihe von Sängern, die große Chancen haben. Das ist durchaus nicht an allen Häusern so.“

Operngala_30.05.15Wenn Barbara Beyer also bekennt, an der Dresdner Musikhochschule nur das Beste für die Ausbildung zu versuchen, hat sie selbstverständlich auch die Zukunft der immerhin seit gut 400 Jahren bestehenden Gattung Musiktheater im Blick. Freilich mit einer gewissen Skepsis, wie sie gesteht: „Nichts ist ewig. Das heißt nicht, dass es in 30 Jahren mit der Oper vorbei ist. Ich selbst habe immer wieder den Versuch unternommen, neue Regiesprachen auszuprobieren, um Oper von innen heraus zu erneuern. Die Qualitäten sind äußerst verschieden und das innovative Potential ist beschränkt. Es geht aber darum, dieses alte Repertoire immer wieder so neu und anders zu erzählen, dass es relevant ist und uns etwas angeht. Dieser Anspruch ist schwierig einzulösen, da heute offenbar überall auf Unterhaltung gesetzt wird.“

Dennoch – oder gerade deshalb – sucht sie nach Wegen, um junge Menschen zu faszinieren, um sie mitzunehmen auf die spannende Reise Oper. Sie ist überzeugt, dass unterschiedliche Ästhetiken für junge Menschen interessant sein können. „Es gibt eine andere Form von Wahrnehmung, andere Erfahrungen – da muss man sich in der Regie wirklich was einfallen lassen. Es gibt kein Rezept. Manches glückt, aber vieles ist wirklich abgestanden. Ich denke, einfach nur zu aktualisieren und dem Ganzen ein modernes Outfit überzustülpen, das genügt ganz sicher nicht. Die Dinge sind wesentlich komplizierter.“

Man müsse ganz dicht an die Beziehungen der agierenden Personen heran, damit das Werk wirklich interessiert und eine Relevanz bekommt. Da genüge die nackte Handlung im Libretto sicher nicht, ist Barbara Beyer überzeugt. Als Regisseurin wird sie nun erst einmal zugunsten ihrer Rolle als Hochschulprofessorin zurücktreten. Denn die Lehrtätigkeit nimmt sie sehr in Anspruch. Und obendrein will ja auch die Stadt Dresden von ihr entdeckt werden: „Das ist in jedem Fall ein Ort, den man sofort mit Musik verbindet. Eine sehr reiche Kulturstadt, eine sehr schöne Stadt. Abgesehen von einigen Bewegungen, die ich natürlich nicht so schön finde.“

In Anlehnung an Alexander Kluge spricht Barbara Beyer gern von der Kunst als Kraftwerk. Es wäre zu wünschen, hier künftig noch mehr Energie zu gewinnen.