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Viel Lärm um Weill

Foto: K.-U. Schulte-Bunert

"Der Feuerbrand" – das war 1928 ein nur mäßig erfolgreiches Bühnenstück eines unbekannten Broadway-Autors, der später immerhin Drehbücher für Great Garbo, Gary Cooper und Marlene Dietrich schreiben würde. 1945 griff der Komponist Kurt Weill diesen Stoff auf, ließ den Bruder George Gershwins, Ira Gershwin, ein paar Gesangstexte verfassen und goss das Ganze in Operettenform. »The Firebrand of Florence«, uraufgeführt im März 1945, war allerdings ein totaler Publikumsflop. Niemand wollte – wen wundert's – in diesen Tagen ein komödiantisches Stück über Europa sehen.
Interessant allerdings ist die Frage, warum das Stück auch späterhin und auch in (West-)Deutschland nie richtig gewürdigt wurde.

Prof. Walter Schmitz, Inhaber des TU-Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur und Kulturgeschichte, ist der Sache nachgegangen und nennt im UJ-Gespräch drei mögliche Teil-Antworten: erstens, das Stück habe den falschen Titel gehabt. "Ein 'Feuerbrand'? Das weckte doch Assoziationen, die mindestens in Deutschland übermächtig schienen, und konnte also ein großes Rezeptionshindernis bedeuten", sagt der Kulturforscher.

Zweitens sieht Schmitz im Komponisten selbst einen Grund für den Misserfolg: habe man doch bei dem Namen Kurt Weill zumindest in Westdeutschland immer zuerst die "Dreigroschenoper" im Sinn. Wenn dann eine biedere Komödie in Hollywood-Manier aufgeführt werde, wäre das Publikum eher irritiert gewesen. Und ein dritter Punkt: warum sich das "Alte Europa" durch die amerikanische Brille erklären lassen? "Was Amerika anging, umfassten die Erwartungen der frühen Bundesrepublik die dortige Alltags- und Populärkultur. Die Deutschen waren fasziniert von der Modernität des Landes." Der »Feuerbrand« stecke zwischen diesen beiden kontinentalen Stühlen fest.

Dieses Unglück ist nun immerhin das Glück der Staatsoperette Dresden; hat sich das Haus doch die europaweit szenische Erstaufführung des Stücks gesichert. Morgen hat um 19.30 Uhr »The Firebrand of Florence« oder, wie der neue deutsche Titel neckisch vieldeutelt, »Viel Lärm um Liebe«, in Leuben Premiere. Warum deutsch? Sicherlich, die Erwartungen des Stammpublikums dürften bei der Entscheidung, eine Übertragung ins Deutsche auf die Bretter zu bringen, eine Rolle gespielt haben. Es muss auch die Frage gestellt werden, ob das Ensemble gegenwärtig in der Lage wäre, ein Broadway-Stück in Originalsprache vollumfänglich zu stemmen. Nicht unproblematisch indes ist die Entscheidung gerade bei diesem Stück des "amerikanischen" Weill. Wird das Publikum die Vielschichtigkeit der Künstlerpersönlichkeit Kurt Weill, die genuin 'amerikanischen' Aspekte des Werks und insbesondere Weills Idee einer neuen amerikanischen Volkstümlichkeit auf diese Weise verstehen können? Oder wird es durch einen deutschen "Feuerbrand" nicht eher auf den europäischen Weill der zwanziger Jahre zurückgestupst?

Eine kleine Tagung, konzipiert in Zusammenarbeit mit der Dresdner Musikhochschule, schließt sich an die Premiere an: am 26. und 27. Oktober debattieren Wissenschaftler aus Dresden und Berlin im Theaterrestaurant »Fledermaus« unter dem Thema »Mechanismen der Ausgrenzung« über Kurt Weills Biographie, im Speziellen seine Exilzeit. Die Teilnahme ist für Besucher kostenlos.

Eine Textfassung des Artikels ist im Dresdner Universitätsjournal erschienen.