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Was vermisst?

Wer von Dresden als Kulturstadt spricht, vermisst mitunter kulturvolles Benehmen an der Garderobe. Wo eben noch mehr als tausend Menschen einvernehmlich Konzert oder Oper gelauscht haben, gebärden sich flugs nach dem Schlussakkord dieselben wie dynamische Fußballfans drängelnd am Ackerrand.

Wer die Kulturstadt Dresden meint, vermisst im aufkommenden Frühjahr auf den Elbwiesen und in den Parks einen Hauch Kulturbewusstsein auch all jener, die zwar pralle Picknickkörbe und viele volle Flaschen auf den Rasen schleppen, von den Resten dann aber nichts mehr wissen wollen. Großer Garten und Alaunpark sehen mitunter wie Müllhalden aus. Zum Sommer wird das noch schlimmer.

Würde wohl jemand den Kulturpalast in Dresden vermissen? Ein Konzerthaus fehlt den Stadtoberen ja offenbar nicht. Da mögen sich Staatskapelle und Philharmonie vor Ort noch so sehr in akustisch untauglichen Sälen mühen, während sie in aller Welt erstklassige Häuser bespielen – die Rathausmännchen wollen nichts davon wissen. Sie haben per Dekret einen Umbau des Kulturpalastes beschlossen, dessen befristete Betriebserlaubnis ja in wenigen Monaten enden sollte. Noch bevor die juristischen Hürden für einen solchen Baustart genommen sind, werden plötzlich schlappe 35 Millionen Euro vermisst. Kein Wunder, da in den europäischen Medien derzeit nur noch Milliardenwerte gehandelt werden.

Dresdens Kulturverweser hatten die 35 Millionen aus den fetten Fördertöpfen Europas erwartet, ohne je eine feste Zusage dafür erhalten zu haben. Wer so rechnet, tja, sollte zumindest das Schuljahr komplett wiederholen und dürfte auf Versetzung nicht hoffen. Eher schon ein Fall für ganz Absetzung. Und niemand würde etwas vermissen.

Aber Ideen haben sie doch, die verordneten Hüter im sächsischen Bananistan. Um stur zu bleiben und den einmal gefassten Beschluss irgendwie doch noch umzusetzen, soll nun Stiftungsvermögen angezapft werden. Kruzianer werden aufjauchzen, nicht aber frohlocken – geht es doch um ihr sauer errungenes Geld. Auch die Sozialstiftung Dresden soll bluten und ihr Erspartes als Fremdkapital in die fragwürdigen Bauarbeiten einspeisen. Um derart finanzielle Piratenakte genehmigungsfähig zu machen, soll die Stadt Bürgschaften für die Transfers übernehmen – das klingt doch ganz nach Neuverschuldung im ach so schuldlosen Dresden. Eine zukunftsträchtige Lösung sieht anders aus. Und für das Kulturkraftwerk Mitte, also die Zukunft von Staatsoperette und TJG, gibt es gleich gar keine Aussagen mehr. Sollten wir uns aufs Schreiben von Vermisstenanzeigen verlegen?

Bald wissen wir – hoffentlich! – mehr.

Bis nächsten Freitag –

Michael Ernst