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Wie Tag und Nacht

Fotos: M. Morgenstern

Etwas Idealismus war dabei, klar. Musik als eine universelle Sprache: das ist ein schönes, gern bemühtes Bild. Aber die Realität zeigt, dass Musiker oft verschiedene Sprachen sprechen und die Hörer neben ihrer musikalischen Muttersprache – sei es nun Schlager, Ethno oder New-Age-Gregorianik – oft nichts anderes gelten lassen. Um so wichtiger sind Annäherungsversuche wie der am Mittwoch Abend im Hygienemuseum! Das übliche Philharmoniepublikum war dort durchsetzt von jungen Wilden mit schwarzen Brillen und Segeltuchtaschen. Der Dirigent und gleichzeitig Jazzpianist des Abends, Markus Poschner, hatte zum Mehrspartentreffen geladen, durchbrach Beethovens Zweite mit Kurzreisen in die Improvisationswelt des Jazz. Die sinfonischen Sätze auf der Tag-, die Jazznummern auf der Nachtseite des Planeten: naiv, wer annahm, es wären da sofort thematische Bezüge hörbar geworden. Nein, die Jazzer verleugneten ihr Genre nicht und ließen sich damit Zeit. Skeptische Mienen im Orchester wie im Publikum: Die schnellen Wetterwechsel – gerade hat man das Handtuch zum Harmoniebaden aufgefaltet, da kommt schon der nächste Septimenschauer – waren sichtlich nicht jedermanns Sache. Am Ende jedoch rauschte ordentlich Applaus.

Heike Janicke guckte lange Zeit skeptisch. Aber am Ende funktionierte das Konzept, die Begegnung zwischen Beethoven und Jazz gelang überzeugend.

Warum übrigens solche stilistischen Begegnungen nicht auch einmal en bloc angehen? Die Berliner Philharmoniker etwa veranstalten nach den regulären Konzerten noch kleinere Nachtkonzerte kostenlos; das wäre sicher auch für Dresden ein interessantes Modell. Der Anfang ist jedenfalls gelungen: nicht nur der Orchesterpauker nickte beim rasanten Schlagzeugsolo, das Bastian Jütte mit geschlossenen Augen abfeuerte, heimlich mit.

Eine Textfassung des Artikels ist am 4. November in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.