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Zellkulturen, traurige Gestalten: Bernhard Lang und Jan Vogler im 1. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle

Bernhard Lang (Foto: Barbara Luisi)

In mehrfacher Hinsicht ein außergewöhnliches Konzert war das: der neue Capell-Compositeur Bernhard Lang präsentierte sich und sein Auftragswerk “Monadologie II”, und der Cellist Jan Vogler musizierte mit seinen ehemaligen Orchester-Kollegen.

Bernhard

Lang, ein Freund Fabio Luisis aus Grazer Studienzeiten, ist der neue “Capell-Compositeur” der Landeshauptstadt. Mit ihm hat die Staatskapelle nach Isabel Mundry erneut einen Komponisten auf den Schild gehoben, der wohl auf den Festivals der Eingeweihten oft präsent ist, der Öffentlichkeit jedoch weniger sagt als die bekannten zeitgenössischen Heroen, die oft mehrere “Composer-in-residence”-Stellen gleichzeitig innehaben. So war denn die Uraufführung von “Monadologie II” für viele eine Erstbegegnung mit Lang. Das Publikum in der fast ausverkauften Semperoper nahm die Komposition gelassen auf, wie auch die Staatskapelle das Werk hochkonzentriert, jedoch mit etwas Zurückhaltung zu musizieren schien.

Ausschnitt aus der Partitur von »Monadologie II«

“Monadologie II” ist ein durchhörbares, recht schnell faßliches (weil mäßig komplex strukturiertes) und nirgends provokantes Werk. Es dominieren vielschichtige, konkurrierende Rhythmen und Rhythmusgruppen; hin und wieder hört man auch wunderschön klangfarbige Themen (etwa in den Trompeten, über einem flächigen Streicherklang). Ein “Sich-Verändern im Stillstand” – so beschreibt der Komponist die Musik, die kleinste Klangzellen miteinander verknüpft: man ist sofort an John Conways “Spiel des Lebens”, das die Evolution mithilfe zellulärer Automaten simuliert, erinnert. Diese kleinsten Einheiten kreisen und kreißen, bis sie mit der Zeit in größeren Strukturen aufgehen.

Die Kapelle präsentierte das Werk nach nur zwei Proben unaufgeregt. Luisis minutiöses Dirigat konnte die ein oder andere rhythmische Ungenauigkeit in den Streichern nicht verhindern, im Ganzen waren die einzelnen Klangschichtungen jedoch gut ausgeglichen. Im Programmheft gesteht Lang, er versuche mit seinen Werken “zu kontrollieren, ob das Konzept noch trägt, oder ob es sich schon wieder in eine neue Richtung bewegt.” Diese Uraufführung läßt letzteres hoffen: die berühmte Sanglichkeit der Staatskapelle, ihr feines Gespür für Spannungsbögen hätte wohl eher ein Werk erfordert, dass neue Fragen auf dem Gebiet der Melodie, der Harmonie, der Instrumentenbehandlung aufwirft – und vielleicht gleich beantwortet? Die “Monadologie III” für 23 Streichinstrumente wird zeigen, welche Richtung Bernhard Lang einzuschlagen im Begriff ist.

Jan Vogler (Foto PR 2 Classic)

Jan Voglers erneuten Auftritt mit seinem ehemaligen Orchester, in dem er seine Musikerkarriere recht eigentlich begann, war mit mindestens ebensoviel Spannung erwartet worden. Hatte der Solist vor fünf Jahren noch eine erstklassige Einspielung

des “Don Quixote” (unter Fabio Luisi) abgeliefert, so warfen Rezensenten in den letzten Monaten die Frage auf, ob sich Voglers Tätigkeit als Intendant nicht nur des Moritzburg-Festivals und der Meisterkonzerte auf Schloß Albrechtsberg, sondern nun noch der Dresdner Musikfestspiele überhaupt mit einer weiteren solistischen Tätigkeit überzeugend vereinbaren ließe. Tatsächlich wirkte der Cellist zu Beginn über Gebühr aufgeregt, vermochte seine Nervosität jedoch im weiteren Verlauf gewinnbringend in eine illustre Fahrigkeit des Ritters von der traurigen Gestalt umzumünzen. Jan Voglers Technik ist nach wie vor außergewöhnlich, auch wenn einige Passagen an diesem Abend einen farbigeren, griffigeren Ton vertragen hätten. Der Bratschist Sebastian Herberg gab dem treuen Begleiter Sancho Pansa dagegen einen sehr spröden, fast mürrischen Anstrich.

Mit der sich anschließenden Vierten Symphonie von Johannes Brahms, weiteren Werken von Richard Strauss und dem Klavierkonzert a-Moll von Robert Schumann (Solistin: Hélène Grimaud) geht die Staatskapelle ab heute auf eine kurze Festival-Tournee. Auch die “Monadologie II” steht zum Edinburgh Festival auf dem Programm – ein Beweis, dass Luisi neben der Pflege der Straussschen Werke die erklärte Promotion zeitgenössischer Musik durchaus erst meint. Am 1. und 2. September wird das erste Sinfoniekonzert dann noch einmal in Dresden aufgeführt.

Martin Morgenstern