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Kultur + Tourismus = Kulturtourismus?

Noch vor wenigen Tagen hätte wohl kaum jemand auch nur eine Flasche sauren Sachsenweins darauf verwettet, dass Sachsens bisherige Staatsministerin für Kultur und Tourismus diesen Posten auch in der künftigen Minderregierung innehaben wird. Aber Parteibuch zählt bekanntlich mehr als Kompetenz. Da darf loyale Dankbarkeit nicht fehlen: „Ich danke Ministerpräsident Michael Kretschmer für das Vertrauen und freue mich, dass ich weiterhin dieses Amt begleiten darf“, so die Erzgebirgerin Barbara Klepsch. Als bündnistreue C.D.U.-Frau schreibt sie tatsächlich „begleiten“ und nicht etwa „bekleiden“, was weit mehr als nur ein semantischer Unterschied ist, sondern statt dessen die Kluft zwischen passiver Ahnungslosigkeit und aktiver Gestaltung verdeutlicht. Oder sollte das nur ein Lapsus eines eilfertig dienstbeflissenen Pressesprechers gewesen sein?

Dieses Ressort ist – in Sachsen und auch außerhalb der sächsischen Kleinstaaterei – offensichtlich das letzte Ersatzrad am nicht nur von Schlaglöchern beschädigten Wagen. Die Reifepanne ist unübersehbar. Selbst die beschädigte Bildungspolitik scheint da noch ein klein wenig mehr angesehen zu sein. Dabei sind Bildung und Kultur in früheren Zeiten Hand in Hand gegangen. Wer aber spricht heute noch von Bildungskultur? Der gesellschaftliche Verlust ist unübersehbar.

Michael Kretschmer, als Sachsens künftiger Ministerpräsident immerhin zweite Wahl, wird Gründe für seine Entscheidung gehabt haben, Sachsens Kultur auf dem Niveau von Annaberg-Buchholz zu belassen. Parteibuch, siehe oben. Als hätte es keine kompetente Alternative gegeben, brüstete sich Klepsch gleich nach ihrer Wahl: „Wir begleiten weiterhin intensiv die Europäische Kulturhauptstadt 2025 und werden wichtige Kulturvorhaben der künftigen Jahre weiter vorantreiben (…).“ Also tatsächlich nur ein Begleiten und keinerlei kreatives Gestalten. Wozu braucht es dann ein solches steuerteuer finanziertes Ressort?

Ah ja, für den Tourismus vermutlich. Denn der steckt im Amtsbereich von Frau K. ja mit drin. Den hat die Dame bereits in ihrer erzgebirgischen Heimat betrieben. Vielleicht ja ein Steckenpferd. Beide Bereiche in einem Ressort zu verbinden: Kann es einen deutlicheren Stellenwert für die Kultur, für das Kulturleben, für kulturelle Werte generell geben? Die Ministerin offenbart sich: „Tourismus und Kultur sind eng verbunden und profitieren voneinander. Sie sind die Visitenkarte des Freistaates Sachsen. In den vergangenen fünf Jahren konnten wir Kultur und Tourismus weitervernetzen und ihr Zusammenwirken stärken. Ich freue mich, dass wir diesen Weg weitergehen und damit eine starke Stimme für Kultur und Tourismus innerhalb der Staatsregierung besitzen.“

Von der inflationär betriebenen Fehldeutung des Profitierens mal abgesehen, kann mit der starken Stimme wohl nur ihre eigene gemeint sein. Echt jetzt? Für folgende Aussagen allerdings sollte Barbara Klepsch unbedingt beim Wort genommen werden: „Kunst und Kultur besitzen in Sachsen einen hohen Stellenwert und gleichzeitig agieren wir in schwierigen Zeiten. Der Schutz und die Förderung von Kultur haben im Freistaat Verfassungsrang, dem müssen wir gerade jetzt gerecht werden. Wir sind stolz auf unsere reiche und vielfältige Kulturlandschaft. Wir werden diesem hohen Stellenwert der Kultur im Freistaat Sachsen auch künftig Rechnung tragen. Mein Anliegen ist es, mit unserer kooperativen Kulturpolitik gemeinsam mit den Kommunen und den Kulturschaffenden eine zukunftsfähige sächsische Kulturlandschaft zu ermöglichen. Eines der wichtigsten Vorhaben in der neuen Legislatur ist es, das Kulturraumgesetz zu überprüfen und für das ganze Kulturland Sachsen als verlässliche Grundlage einer umfangreichen Förderung zu erhalten. Wir sind mitten in diesem Prozess und mit den Akteuren aus der Kultur in einer AG zum Kulturraumgesetz im Gespräch.“

Damit sind immerhin überprüfbare Leitlinien gesetzt. Nicht ohne nochmals das eigentliche Steckenpferd der bergparadierenden Politiker hervorzuzaubern: „Der Tourismus ist mit klaren Vorhaben im Koalitionsvertrag verankert, was ein wichtiges Signal für die Branche ist. Zusammen mit unseren Partnern werden wir die Vorhaben des Masterplans umsetzen und die darin gesetzten Themenschwerpunkte, wie die Weiterentwicklung des Ganzjahres- und Wandertourismus und die Stärkung unserer Kur- und Erholungsorte voranbringen.“

Wollen wir abschließend noch – nachdem der Fokus von Frau Staatsministerin aufs Innerste ihres Tellerrands zielte und sie die Bergparade in Annaberg-Buchholz als gelebte Tradition mit besonderer Bedeutung in der sächsischen Kulturgeschichte pries (!) –  einen kurzen Blick über die engen Grenzen vom »Weihnachtsland Sachsen« wagen? Denn wer mit Kultur nix am Hut hat, dem wird gar nicht aufgefallen sein, dass im dräuenden hervorgeampelten Bundeswahlkampf das Wort Kultur gar nicht vorkommt. Allenfalls von den völkischen Kampfbünden wird es im Zusammenhang mit „Leitkultur“ benutzt. Warum diese Erwähnung? Weil eine kulturlose, gar eine kulturlose Gesellschaft allzu rasch in den Zustand der Barbarei zu geraten droht. Dem vorzubeugen, sollte nicht nur Ministerinnen und Ministern von Kleinstaaten überlassen werden, sondern ein Anliegen aller kultivierten Menschen sein.