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Was kann Musik?

Foto: Ursula Knepper

Hin und wieder gibt es auch Nachrichten von musikalischen Begebenheiten, die sich am Stadtrand Dresdens ereignen, zum Beispiel aus Quohren bei Kreischa. Hier gab es am 9. Oktober 2022 sogar eine Oper zu hören: Das »Barockensemble der Weinpresse Wachwitz« führte mit zwei Sängerinnen, Chor, einem Erzähler und einer Puppenspielerin Christoph Willibald Glucks »Orpheus und Eurydike« auf, eines der bekanntesten Werke dieses bedeutenden Opernreformators aus dem 18. Jahrhunderts.

Eine für diesen Zweck gekürzte Fassung enthielt alles Wesentliche dieser Oper. Schon die von den neun Instrumentalisten exzellent musizierte Ouvertüre zog alle Zuhörer in ihren Bann. Es geht um die Frage, welche Macht von Musik ausgehen kann. Die haben sich schon die alten Griechen gestellt. Ist Musik in der Lage, böse Dämonen zu besänftigen? Kann sie die rigorose Entscheidung eines gestrengen Gottes revidieren? 

Der begnadet singende Schafhirte Orpheus, der seine geliebte Frau Eurydike betrauert, bringt den Liebesgott Amor dazu, dass er in die Unterwelt hinabsteigen darf, um Eurydike wieder zu sich zu holen. Der Haken dabei: er darf sie keinesfalls anschauen, solange beide durch die Gänge des Hades irren. Komplikationen bei dieser Sachlage sind also vorprogrammiert. Denn natürlich hält Eurydike diese Situation nicht lange aus, ja sie zweifelt gar an Orpheus‘ Liebe. Welchen Mann lässt das kalt? Orpheus dreht sich zu seinem Weibe um, und Eurydike stirbt zum zweiten Mal. Orpheus ist verzweifelt und klagt: „Ach, ich habe sie verloren, all mein Glück ist nun dahin!“ Aber der zauberhaften Musik Christoph Willibald Glucks kann Amor nicht widerstehen, und er erweckt Eurydikes Lebensgeister ein zweites Mal.

Der Erzähler Wolf-Dieter Gööck fasste in geistvollen Textpassagen die Handlung zusammen und lieferte sich als Gott Amor mehrmals Rededuelle mit der drolligen Handpuppe Orpheus, geführt von der  Puppenspielerin Cornelia Fritzsche. Christoph Teichner/Augsburg hatte Glucks Partitur für neun Musiker eingerichtet. Vom Cembalo aus leitete er temperamentvoll sein Solisten-Orchester. Die Sängerinnen Barbara Steude und Birte Kulawik wie auch die Choristen waren den hohen musikalischen Anforderungen ihrer Partien bestens gewachsen. Bevor zum Schluss eine Lobeshymne auf Gott Amor erklang, fragte der Erzähler, wieso eigentlich derjenige, der den ganzen Schlamassel durch seine Bestimmungen ja erst verursacht hat, dafür auch noch gefeiert  wird…

An diesem Sonntagnachmittag im Orthschen Gut stimmte jedenfalls alles bestens zusammen: die wunderbare Musik, das herrlich verfremdete Puppenspiel, die klugen, teils witzigen, teils nachdenklichen Zwischentexte. Ja sogar die Beleuchtung mit wechselnden Spots funktionierte, da sie Wolf-Dieter Gööck vom Erzählersessel aus mit einer ausgeklügelten Fernsteuerung bediente. Dank allen Beteiligten, allen voran der Ersten Geigerin Karina Müller aus Quohren, die diese Veranstaltung initiiert hat.

Eva Zimmermann