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Noch können wir lachen!

Foto: Pawel Sosnowski

»Die Lustigen Nibelungen« – eine burleske Operette von Oscar Straus, wurde am 12. November 1904 am Wiener Centraltheater uraufgeführt. Die Kritik jubelte, das sei doch endlich die Reform des Genres!
Der Jubel des Publikums hielt sich allerdings in Grenzen.

Stärker war er dann 1910 bei der Berliner Erstaufführung am Theater des Westens. Vielleicht konnte man hier schon besser umgehen mit diesem ja noch recht neuen Genre der satirischen Operette? Mit den Tanzoperetten, »Ein Walzertraum« oder »Der letzte Walzer« hatte Oscar Straus mehr Erfolg, bis heute. Dabei lohnt es, ein Stück wie »Die Lustigen Nibelungen« zu inszenieren, auf geschickte Weise in einen so witzigen wie aufmüpfigen Dialog mit den Erfahrungen der Gegenwart zu stellen.

Benedikt Eder, Kay Frenzel (Foto: Pawel Sosnowski)

Jetzt fand die Premiere dieser burlesken Operette in den Landesbühnen Sachsen, im Theater in Radebeul statt. Die Zustimmung des Publikums steigerte sich auch hier langsam, aber dann ging’s los! Szenenapplaus, immer häufiger. Am Ende Begeisterung im Takt. Allerdings, das fiel schon auf: die Länge der Aufführung, gut drei Stunden mit Pause, hatte ihre Wirkung. Nach dem Ende des zweiten Aktes gab schon mal so etwas wie kräftigen Schlussapplaus.

Aber wie ernst kann man den Titel nehmen? Wie lustig geht es zu in dieser Operette, die ja mit diesem Nibelungenlied, das ja auch als deutscher Gründungsmythos angesehen wird, recht frei umgeht, und das auf dem Hintergrund, dass ja solche deutschen Mythen bis heute, oder vielleicht gerade wieder, in gewissen Kreisen so ihre Rolle spielen?

Das hat der Schweizer Regisseur und Choreograf Simon Eichenberger auf der Bühne von Stephan Plattes mit Kostümen für diese so komischen wie armseligen Helden und Heldinnen, von Marrit van der Burg, unter der musikalischen Leitung von Karl Bernewitz, gut nachvollziehbar inszenieren können. Er schickt sie alle in den Ring. Das macht mit Charme, Geschick  und Süffisanz der Schauspieler Joshua Hien als hinzuerfundene Figur eines Ringrichters, Butlers, am Ende auch als herrlich gefiederter Waldvogel.

Und dieser Ring in Worms am Rhein hat Platz für alle Orte dieses burlesken Nibelungenliedes. Da kann gefrühstückt werden, üppig und ekelig: Drachenblutwurst! Da kann gemauschelt werden, wer mit wem und wie und warum, da kann gekämpft werden, dass die Fetzen fliegen. Denn das ist ja der Ausgangspunkt: wenn diese Gesellschaft davon singt, dass ihr König, Gunther von Burgenland, „so miesepetrig“ aussehe. Benedikt Eder als Gunther hat nämlich Schiss. Jonas Atwood als Papa Dankwart, Ylva Gruen als Mama Uta, mit Anna Erxleben als Schwesterlein Kriemhild, Florian Neubauer und Franziska Abram als Brüderlichen Volker und Giselher können auch nichts für ihn tun. Stephanie Krone als Brunhilde, Königin von Isenland ist im Anmarsch; das Telegramm ist schon da, der Zug soll pünktlich sein. Sie soll Gunthers Frau werden. Bisher hat sie aber jeden Freier mit links umgenietet. Immer noch Ebbe im Brautbett!

Aber da ist ja auch noch der grimmige Onkel Hagen unter den Blutwurstfressern. Der hat einen Plan. Siegfried muss her, der unbesiegbare Held, samt seinem Nibelungenschatz, den kann man locken, mit Kriemhild, der Maid, frisch vom Frühstücksbüffet. Kay Frenzel als Siegfried, kommt mit Wagnertenorcharme, Kriemhild gefällt ihm, Brünnhilde ist auch da, der Ring ist frei, ihre cheerleadernden Amazonen jubeln, Siegfried der Held macht unsichtbar, unter der Tarnkappe, dann macht er die Heldin Brunhilde platt: Doppelhochzeit!

Foto: Pawel Sosnowski

Kein Geheimnis, das kann nicht gut gehen. Irgendwann müssen doch mal die Masken fallen. Und war da nicht bei diesen, nun ja, eigentlich gar nicht so lustigen Nibelungen, die Gier nach der Knete, Siegfrieds Schatz, nicht auf dem Grunde des Rheins, aber sicher bei der Rheinischen Bank? Aber um an diesen Schatz samt Zinsen zu kommen, müsste man den Helden kalt machen. Und dafür müsste man wissen, wo er verwundbar ist, wo ihn das Lindenblatt bedeckte, als er im Drachenblut badete.

Das bekommt Anna Erxleben als Kriemhildchen für Michael König als grimmigem Onkel Hagen heraus: „Von vorne, von vorne, da ist er ganz von Horne… von hinten, von hinten, kann man ihn überwinden“, so singt sie. Wie das wohl gemeint ist? Denn richtig will es ja nicht klappen in der Hochzeitsnacht mit Krimi und Sigi.
In der anderen Hochzeitsnacht gehts hoch her, Stephanie Krone als Brunhilde steht ihren Mann, ihren Mann, den eigentlich ja ganz netten Gunther, den hängt sie an den Kleiderhaken, da kann er zappeln. 

Und auch in der burlesken Operette wird am Ende alles gut. Sogar ohne Leichen auf der Bühne. Wieviele im Keller schlummern, darüber wird weder gesprochen noch gesungen. Und dann, eine geniale Schlusspointe: Hagen ist scharf auf den Schatz, gut angelegt bei der Rheinischen Bank. Dass die Zinsen im Keller sind, weiß er ja noch nicht. Das bunte Vögelchen zwitschert Siegfried die Gefahr. Der weiß sich zu wehren, und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Er vergibt dem Gauner Hagen. Geldgier ist nämlich in diesem deutschen Mythos ein edles Motiv, totale Straffreiheit.

Der Textdichter, Dr. Fritz Oliven, war ein Berliner Jurist. Sein Pseudonym für die Operetten: „Rideamus“ – lasst uns lachen, auch wenn das Lachen angesichts dieser Sicht auf deutsche Mythen und ihre Helden schon mal – wie es der Volksmund so sagt – im Halse stecken bleiben kann. Auch in der Dresdner Premiere gibt es kein brüllendes Lachen. Auf der Bühne geht es mitunter noch etwas schleppend voran. Auch die Textverständlichkeit, besonders beim Singen, könnte besser werden. Zudem hält sich der Schwung musikalisch noch etwas in Grenzen. Natürlich ist es witzig, wenn alle in leicht lädierten Kostümen agieren, als kämen die aus den Mottenkisten provinzieller Wagnerinszenierungen. Dann tritt auch mal eine schwarz-rot-gold geschmückte Burschenschaftshorde auf.

Ja, deutsche Burschenschaften sahen einst die deutsche Ehre durch diese Operette beschmutzt. Ab 1933 waren alle Werke von Oscar Straus unerwünscht. Er ging ins Exil, ein Sohn nahm sich das Leben, ein anderer starb mit seiner Frau in Auschwitz. Das erfährt man im Programmheft von Gisela Zürner mit dem bemerkenswertem »Nibelungen – ABC«. Und klar, wenn sich die Gauner einig sind, am Ende, unter der deutschen Eiche, wenn es um das Geld geht, das muss man nicht aktualisieren, wenn man sich einlässt, gehen da schon historische und aktuelle Horizonte anschwellender Kriegslüsternheiten auf. Die bitterste Einsicht ist wohl diese: Noch kann man lachen, möchte man lachen, und die Hoffnung nicht aufgeben, dass diese Art deutscher Träume künftig nur für burleske Operetten taugen und lediglich auf der Bühne ihr Kampffeld haben.

Nächste Aufführung in Radebeul: 21. April, weitere im Mai