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Solidarität im Jazz

Foto und Repro: Matthias Creutziger

Von sich aus hätte er das nie getan, denn der Dresdner Musiker Peter Koch ist ein eher stiller Mensch. Jedenfalls meistens. Wenn er durchs Hechtviertel spaziert, stets mit schwarzem Hut und schwarzem Mantel, wirkt er mitunter wie ein Schatten aus ferner Vergangenheit. Eine jener Existenzen, denen Randständigkeit keine abenteuerlich vorgezeigte Attitüde ist. Der 1960 in Greifswald geborene Koch trägt das Unangepasste eines kreativen Unikums nicht vor sich her, er lebt es tatsächlich. Als Musiker am Cello sowie als Maler an der Leinwand.

Mit heftiger Unterstützung aus seinem Freundeskreis, namentlich durch Henning Merker, dem die Idee dazu bereits vor knapp zwei Jahren kam, ist aus dem stillen Menschen Peter Koch nun eine klangvolle CD hervorgegangen. Die einmal mehr beweist, wie vielseitig dieser Improvisator ist.

Denn selbstverständlich kann er auch ein sehr lautstarker Mensch sein. Wenn er sich so ganz und gar in sein Saitenspiel vertieft, darin verborgene Chaosräume auftut und sich in ihnen entfaltet, ja geradezu austobt, dann wirkt seine Musik ungestüm, ohne dadurch weniger stimmig zu sein. Ein Titel wie »Gedankengang« scheint genau das auszudrücken, was er benennt. Sinnendes Kreisen um einen ideellen Gegenstand, hoch virtuos und in keiner Weise verworren. Berechnend schon gar nicht.

Das Unaufgeregte auch und gerade in seinem flirrenden Spiel steht im starken Kontrast zum Titel »Elegie« und der in höchstem Maße sinnlichen Etüde »Flageolett«. Peter Koch erzählt mit seiner Musik Geschichten, die mal als »Hommage an Henry Purcell« zu verstehen und mal nach Vorlagen jüdischer Volkskunst entstanden sind. Die Stücke auf dieser CD und deren Titel laden die Hörerschaft geradezu ein, sich Kochs gestrichenen, gezupften sowie hin und wieder auch perkussiv behandeltem Instrument schlichthin auszuliefern, um eigene Gedankenbilder und Gefühle aufkommen zu lassen.

Um seiner sich selbst auferlegten Zurückgezogenheit zu entkommen, musste sich Peter Koch zu seinem Glück nahezu zwingen lassen. Unter der pianistisch improvisatorischen Mithilfe durch Juliane Steinwachs-Zell am Flügel entstanden in den Ballroom-Studios von Johannes Gerstengarbe und dank des ihn dazu anregenden Produzenten Henning Merker teils exzentrische, teils wie durchgeplant wirkende Unikate. In »Bagatellen« sucht Koch auf ganz solistischen Pfaden, was aus seinem Instrument an Variantenreichtum herauszuholen ist. Ein 9-Minuten-Stück von beinahe sinfonischem Ausmaß.

Gleich darauf folgt ein energiegeladenes Schürfen mit betont breitem Strich. »Saturn frisst seine Kinder« ist bildhaft schwarze Musik voller Geheimnis, sie endet mit hell klingender Sattheit. Im befreienden Themenwechsel der »Hommage an Gabriel Fauré« kommt dann wieder das Klavier hinzu und gebietet im instrumentalen Zwiegespräch mit Kochs Cello eine kraftvolle Expressivität. Immer wieder wechseln sich genussvolle Momente des Besinnens und Aneinander-Herantastens mit feinem Fingerspiel dieses einander bekennenden Duos ab.

Auf einer Fotografie von Matthias Creutziger sind die beiden mit einem Einblick in Kochs Atelier und seine nach wie vor der norddeutschen Heimat verbundenen Bildwelten zu sehen (s.o.). Sowohl die Musik als auch die Malerei von Peter Koch verdienen es, möglichst bald wieder verstärkt in ein öffentliches Licht gerückt zu werden.

Nochmals elegisch singend setzen auf dieser nur durch solidarische Freundschaft entstandenen und nicht kommerziell vertriebenen CD die »Gedanken an Elisabeth Graul« einen weiteren, diesmal sehr nachdenklichen Kontrast. Der Ausklang erfolgt mit dem melodiös kreisenden Titel »Abgesang«. 

Peter Koch – Kapriolen
Exklusiv-Vertrieb bei »Sweetwater« am Körnerplatz, Friedrich-Wieck-Str. 4