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Tonne ohne Torte

Manchmal sind vier Jahrzehnte ein kleines Stückchen mehr als nur vierzig Jahre. Unendlich viele Glücksmomente, wie sie im Dresdner Jazzclub Tonne zu erleben gewesen sind – und hoffentlich bald wieder zu erleben sein werden -, lassen sich nicht einfach summieren und auf ein rundes Jubiläum hin hochrechnen. Zumal die Zählweise nicht nur von hiesigen Jazzern durchaus eine gewisse Flexibilität aufweist, wie sie der Musik mit den Blue Notes nun mal zu eigen ist.

„Die Tonne wird 40!“ schallt es aus dem Gewölbe unterm Kurländer Palais, das dieser Tage übrigens auch ohne Musik gar nicht so stumm ist. Denn die Macher um Steffen Wilde, dem Künstlerischen Leiter des Jazzclub Tonne e.V., hübschen die momentan zwangsläufig Räume derzeit kräftig auf. Dabei würden sie wohl viel lieber mit ihrem Stammpublikum das Jubiläum begehen, zünftig mit Torte und (musikalischen) Schlachten. Doch anstelle geplanter, abgesagter und zwischenzeitlich mehrfach verschobener Konzerte ist auch dieser Club bis auf weiteres noch geschlossen, dürfen weder jazzige Musikanten noch deren Anhängerscharen die historischen Räume betreten.

Historisch? Nun, das sind sie nicht nur wegen der sandsteinernen Mauern, die dem vor knapp 300 Jahren für sächsisches Adelsgesocks errichteten Prunkbau seit je ein festes Fundament liefern. Das überdauerte auch die Zerstörung am Ende des Zweiten Deutschen Weltkriegs und konnte somit vom 13. März 1981 an für den Jazz genutzt werden. Das erste Konzert im Keller der Ruine wurde seinerzeit von den Dresdner Tanzsinfonikern gegeben. Damit hatte die bereits 1977 gegründete IG Jazz Dresden – eine Interessengemeinschaft unter dem Dach des DDR-Kulturbundes – endlich eine feste Adresse für ihre Projekte im Zeichen von Jazz und Improvisation. Und der erfolgreich wachsende Jazzclub bekam seinen Namen durch die Kellergewölbe. Zuvor wurden Räumlichkeiten wie das Rundkino, die Schauburg und der Studentenklub Spirale bespielt.

Die Tonne aber avancierte alsbald zu einer landesweit bekannten Spielstätte, deren Ruhm dank der dort auftretenden Musiker auch eine internationale Strahlkraft erhielt. Mit Koryphäen wie Chick Corea, John McLaughlin, Sun Ra, Betty Carter, Abdullah Ibrahim, Al Di Meola, Dave Holland, Jack DeJohnette und Geri Allen gaben sich Jazzstars die Ehre, die ansonsten im kleinen Ländchen höchstens zu den Leipziger Jazztagen erhört werden konnten. Anderenfalls hätte man mindestens bis zur Jazz Jamboree nach Warschau reisen müssen. Oder aber an die Karpfenfischteiche von Peitz. Aber das ist schon wieder eine andere Legende.

Bleiben wir in Dresden, wo im Laufe der vier Jahrzehnte weit über 4.000 Jazzkonzerte in der Tonne unterm Kurländer Palais, im Areal des Waldschlösschen-Brauhauses sowie unter dem zunehmend wässrigen Kulturrathaus auf der Königstraße und dann eben erneut in den Kellern des wiedererrichteten Kurländer Palais’ stattgefunden haben sollen. Prämiert wurde das immer wieder tapfere Bemühen um den Jazz jenseits von anbiedernder Unterhaltungsmusik wiederholt durch den Spielstätten-Programmpreis APPLAUS der deutschen Bundesregierung sowie einem Live Entertainment Award. Vor allem jedoch gilt der Zuspruch der gereiften und ebenso des nachwachsenden Publikums als unverzichtbares Kriterium für die Wichtigkeit dieses so einmaligen Clubs.

Der sein 40jähriges Bestehen nun leider nicht wie geplant feiern kann, aber dennoch spannungsreiche Programme geplant hat. Die große Jubiläumssause soll also nachgeholt werden. Voraussichtlich schon im April dürfte es erste Live-Acts geben. Bis dahin trösten der Jazzclub, die Tonne sowie die engagiert dahinterstehenden Macherinnen und Macher mit einer städtischen Plakataktion und dem Versprechen auf eine Tonne „so schön wie nie zuvor“.

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