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DER FAUST aufs Auge

In der Theaterszene ist er inzwischen etabliert, der seit 2006 vom Deutschen Bühnenverein vergebene Theaterpreis DER FAUST. Die diesjährige Preisverleihung gab es kürzlich in Kassel, und in der Kategorie Regie Musiktheater wurde im dortigen Theater einer der begehrten Preise auch nach Sachsen vergeben. Einer der „Mitbewerber“, in diesem Fall einer der Mit-Nominierten, kam aus Dresden und ist de facto leer ausgegangen. Aber fürs TJG zählt schon die Nominierung. Dabeisein ist (beinahe) alles.

Szenenfoto aus Stöpplers »Götterdämmerung« (Foto: Kirsten Nijhof)

Für ihre Chemnitzer Inszenierung von Richard Wagners »Götterdämmerung« bekam die Regisseurin Elisabeth Stöppler den diesjährigen FAUST. Ihre 2018 herausgekommene Produktion war der krönende Abschluss der von vier Regisseurinnen inszenierten Tetralogie »Der Ring des Nibelungen«. Ein weiblicher Ring sollte das sein, wie es seinerzeit immer so schön hieß.

Elisabeth Stöpplers »Götterdämmerung« war eine große Regieleistung, die das Werk nicht zerstört, nicht uminterpretiert, sondern Text und Musik gründlich analysiert hat. Sie fügt sich ein in das, was die 1977 geborene Regisseurin auch auf anderen Bühnen herausgebracht hat, erinnert sei nur an die Opern »Gisela« und »Wir erreichen den Fluss« von Hans Werner Henze an der Semperoper zu Dresden. Also ein rundum verdienter Theaterpreis DER FAUST, über den Elisabeth Stöppler sehr glücklich ist: „Das ist unglaublich bestätigend und fühlt sich sehr gut, sehr warm an.  Ich hatte versucht, mir einzureden, dass mir der Preis nichts bedeutet. Wenn man dann aber diesen Preis bekommt, ist das eine Bestätigung der ganzen Arbeit, die hinter so einer Produktion steckt.“

Dennoch will die einstige Peter-Konwitschny-Schülerin Elisabeth Stöppler vor allem durch ihre Arbeit öffentlich wirken und nicht unbedingt als Person. Ihre »Götterdämmerung« steht geradezu exemplarisch für diese Haltung.

„Für mich persönlich ist das eine sehr wichtige Produktion gewesen, da ich mich ja zum ersten Mal auf Richard Wagner eingelassen habe. Bis dahin hatte ich nie etwas von ihm inszeniert, sondern diverse Male sogar Anfragen abgesagt. Dabei bin ich eigentlich von Haus aus relativ vertraut mit seinem Werk, hatte mich aber immer eher kritisch damit und auch mit Bayreuth sowie mit seiner Biografie auseinandergesetzt. Ich habe mich aber nie der Faszination seiner Musik entzogen, auch nicht der Geschichten und der Aussagen.“

Die von der Regisseurin allerdings nicht manifest verstanden worden sind, sondern eher versöhnlich gedeutet wurden. Bei der Chemnitzer »Götterdämmerung« gab es eben mal keinen Weltenbrand, sondern eine betörend großartige Brünnhilde, die um all das, was da geschah und zerstört worden ist, zum Schluss bitter trauert. Vielleicht also doch ein betont „weiblicher Ring“?

Elisabeth Stöppler sagt, sie habe keine Antwort darauf. Meint dann aber doch, dass bei ihr und ihren Kolleginnen die Dinge oft nicht so selbstverständlich sind: „Frauen denken manchmal noch einen Moment mehr um die Ecke. Sie erfahren eine Aufmerksamkeit in der Inszenierung, die neu, die besonders sensitiv und ausdrucksstark ist.“

Mit diesem – nicht nur für Chemnitzer Verhältnisse – Kraftakt zielte das Theater freilich auf größtmögliche Aufmerksamkeit. Auch überregional. Elisabeth Stöppler ist sich dessen bewusst: „Es ist ja letztlich ein Statement, ein Frauen-»Ring«. Es führt aber zu einer bestimmten Aufmerksamkeit. Die finde ich gut und wichtig. Wenn das als allgemein positiv wahrgenommen wird, dass Frauen den »Ring« inszenieren, dann finde ich das richtig gut.“

Zur Premiere im vergangenen Jahr sorgte Chemnitz freilich auch mit ganz anderen Vorgängen für Schlagzeilen. Was Elisabeth Stöppler natürlich nicht entgangen ist: „Für mich ist diese Produktion auch deswegen so wichtig, weil sie in diesen sehr angespannten Herbst 2018 gefallen ist und wir ja wirklich umzingelt waren von Demonstrationen. Die ganze Stadt befand sich einerseits in einer Art Schockstarre  und andererseits in einer unglaublichen Motivation, etwas dagegen zu tun. Das Tollste war aber, wenn man sich mit diesem Richard Wagner auseinandergesetzt hat, dass das genau das Richtige gegen diese ganze rohe, brutale und negative Stimmung gewesen ist. Weil die Inhalte von Wagner inklusive der Versöhnung, die für mich am Ende so wichtig ist, dieses Neubeginns zwischen diesen Frauen, die haben etwas mit Empathie und Lebensmut, mit Helligkeit und Menschenliebe zu tun.“

Also auch dafür kann solch ein Theaterpreis stehen. DER FAUST als ein Zeichen. Und wie geht es nach dieser Ehrung für Elisabeth Stöppler nun weiter?

„Ich arbeite einfach weiter wie bisher und freue mich, wenn die Leute durch diesen Preis auf mich aufmerksam oder noch aufmerksamer werden. Mit denen würde ich dann genauso arbeiten wie mit denen davor.“

Erst im kommenden Jahr wird es in Chemnitz wieder zwei zyklische Aufführung von Wagners »Ring« geben, einmal Mitte April und dann nochmal Ende Mai. Die nunmehr preisgekrönte »Götterdämmerung« von Elisabeth Stöppler wird dort am 13. April sowie am 24. Mai zu sehen sein.