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Dvorák mit Stradivari

Foto: Oliver Killig

Im Romantischen ist er zu Hause. Aber er lebt in New York. Hier prallen heftige Gegensätze aufeinander. Joshua Bell, der 1967 geborene Geiger, der mit 14 Jahren unter Riccardo Muti beim Philadelphia Orchestra debütierte, weiß mit ihnen umzugehen.

Jugendlich weltgewandt kommt er zum Pressegespräch beim Sponsor, zeigt sich beeindruckt von Zeigern und Ziffern, biedert sich beim Geldgeber aber nicht an. Ähnlich sympathisch wenige Stunden später sein Auftritt als Gast der Dresdner Musikfestspiele in der Frauenkirche. Sogenanntes Kernrepertoire steht an, das Violinkonzert a-Moll von Antonín Dvorák, begleitet von der Camerata Salzburg unter dem einst selbst geigenden Andrew Manze. Einer der vielen Pioniere historischer Musizierpraxis, den man inzwischen fast nur noch als Dirigent kennt.

Joshua Bell ist ein Beglücker des zahlreichen Publikums und wird stürmisch beklatscht. Sein Dvorák gerät schwelgerisch, glänzt makellos in virtuosen Passagen, klingt wissend interpretiert dort, wo es auf einfühlsame Wiedergabe ankommt.

Joshua Bell kann beides und wirkt sowohl im Gespräch als auch auf dem Podium vor dem Orchester höchst souverän. Mit den Brüdern Vogler ist er seit Jahrzehnten bekannt. Dass sie sich mögen und wertschätzen, ist sichtbar. Und dennoch ist dies ein ganz besonderes Wiedersehen. Der Geiger kommt diesmal nicht nur als namhafter Gastsolist, um das Festspielprogramm zu zieren, sondern als Preisträger des »Glashütte Original Musikfestspiel-Preises«. Der wird in diesem Jahr zum 16. Mal vergeben, ursprünglich noch unter dem Namen »Saeculum«, und darf sich inzwischen seinerseits mit prominenten Namen wie Kurt Masur, Gidon Kremer, Christa Ludwig, Hélène Grimaud oder Simon Rattle sowie zahlreicher weiterer Persönlichkeiten schmücken.

Inzwischen ist die mit 25.000 Euro Preisgeld verbundene Auszeichnung mit der Auflage verbunden, klassische Musik an jüngere Generationen zu vermitteln und die musikalische Nachwuchsförderung damit zu fördern. Joshua Bell will die Summe aufteilen und mit der, wie er betont, „großzügigen Geste von Glashütte Original“ möglichst viele junge Menschen unterstützen.

Ein Projekt, das ihm besonders am Herzen zu liegen scheint, widmet sich der musikalischen Ausbildung von Kindern in der New Yorker Bronx sowie im Stadtteil Harlem. Dort habe er erleben können, wie Eltern zu Tränen gerührt waren, als sie ihre musizierenden Kinder erblickten. Möglich wurde dies nur durch eine zielgerichtete Förderung, ohne die den Mädchen und Jungen jeder Zugang zu klassischer Musik und zum Musizieren verwehrt geblieben wäre.

Ein würdiger Preisträger, der nur sehr ungern daran erinnert wird, dass er 2007 in einer U-Bahn-Station von Washington erst dadurch so richtig bekannt wurde, dass er dort nicht erkannt worden ist. Eine Dreiviertel Stunde lang spielte er Musik von Bach und anderen Komponisten, mehr als eintausend Menschen sind an ihm vorbeigegangen, nur sieben blieben stehen. Erkannt hatte den Geiger damals nur ein einziger.

Heute will Joshua Bell möglichst nicht davon sprechen, meint dann aber doch, dass es ihm mit diesem Auftritt unter einem Basecap darum gegangen sei, deutlich zu machen, dass Musik beides braucht: den Interpreten und die Zuhörerschaft.

In Dresden hat er diese Verbindung jetzt wieder gehabt.