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Keine Atempause, Geschichte wird gemacht…

Als die Band „Fehlfarben“ 1980 diesen Text ihrem Hit „Es geht voran“ unterlegte, war damit sicher nicht der Dresdner Kulturpalast gemeint, der seit 1969 in Betrieb war und zur Zeit des Neue-Deutsche-Welle-Hits bei monumentalen Konzerten etwa so aussah (24.5.1980, UA von Rainer Kunad). Schauen Sie sich das Bild gut an, und dann schließen Sie kurz die Augen. Öffnen Sie sie wieder und lesen den Rest dieses Artikels. Wir befinden uns im Jahr 2017. Wir befinden uns auf einer Baustelle, im Herz der schönen Stadt Dresden. So Gott und die Baufirmen wollen, hat das Ameisengewusel im Dresdner Kulturpalast tatsächlich Ende April ein Ende und mit dem Festakt am 28.4. wird der neue Saal eröffnet. Der kulturelle Mittelpunkt der Stadt wird durch die Hauptbibliothek und die Herkuleskeule am selben Standort noch unterstrichen.

Doch nachdem schon das Kulturkraftwerk – mit wenigen Schrammen, Abstrichen und Fragenzeichen für die Zukunft („Gerda, gehen wir noch was schmausen nach der Operettenpremiere?“ – „Jee, Gerd, aber wo denn?“) heinzelmännchenartig erbaut und in Gang gesetzt wurde, scheint der Kulturpalast ja fast ein Klacks zu sein. Man gibt sich optimistisch, wenngleich auch die Pressemitteilung am heutigen Tag von einem „sportlichen Endspurt“ spricht. Ja nun, Herr Pressesprecher, die Zielgerade erfordert immer einen Sprint, sonst holt einen noch Tante Realität oder Onkel Defizit auf Bahn 3 ein.

Wir kommen vom Wesentlichen ab. Während der Musik-in-Dresden-Chefredakteur schamlos in einem Machwerk namens „Elbphi“oder „Elphi“ (fehlt da nicht ein D, um das längst Mirakulöse festzuzurren?) fremdhört und Christian Thielemann in Hamburg den Wagner-Virus respektive gleißenden Wurm, um im Nibelungenjargon zu bleiben, in die neuen heiligen Hallen einzupflanzen versucht, schreitet der Kollege helmlos neugierig durch „Drephi“, „Kulti“, „KuPa“ und kann sich doch mit keiner Verniedlichung, sei sie noch so eingebürgert seit der Jugendweihe 1980, anfreunden. Zu imposant ist das, was da auf den Rezensenten, Autor, Komponisten, Dresdner einstürmt an Eindrücken.

Hier unter der Treppe im Foyer stand ich dereinst mit Peter Zacher in der Konzertpause, und nach einem langen Seufzer nahm er mit einem wohldosierten Satz das soeben dargebotene Stück oder einen Solisten auseinander, selbstverständlich „offline“. Die Foyeratmosphäre ist geblieben, von oben wurde man beim Reinkommen immer beäugt. Wo links oben die Chorprobensäle waren, ist nun über zwei Etagen die Bibliothek angesiedelt, dort stehen sogar schon Bücherregale, die nach dem Einräumer zu rufen scheinen.

An anderen Stellen im Kulturpalast sieht es noch aus wie beim berühmten Herrn Hempel (unter’m Sofa) und man möchte den Arbeitern zurufen: Nu macht’s doch mal hübsch hier. Ist aber alles in Planung und wie man uns versichert, ist die Koordinierung der Gewerke schon fast ein Wunderwerk. Denn nebenbei wird ja auch noch die Orgel eingebaut, Mitarbeiter der Firma Eule in Bautzen sind längst am Bühnenprospekt aktiv und die Pfeifen wurden auch schon geliefert. Allerdings wird man zur Saaleröffnung nur einen visuellen Eindruck bekommen – die Stimmung der Orgel erfolgt in der Konzertsommerpause. „Das braucht Ruhe“, so Kreuzorganist Holger Gehring, der hier als Kustos tätig ist und selbstverständlich auch zu den ersten Spielern der Orgel gehören wird. Orgelweihe ist dann am 8. September 2017, zuvor eröffnet die Dresdner Philharmonie die neue Saison mit keinem geringeren Werk als Gustav Mahlers 8. Sinfonie, der „Sinfonie der Tausend“, hier wird die Orgel auch schon zu hören sein. Die Konzerte mit der neuen Konzertsaalorgel sollen bereits ab 1. März im Vorverkauf sein, so die Stadt Dresden. Der erste „Palastorganist“ der Saison 2017/2018 wird der Titularorganist von Notre Dame Paris, Olivier Latry sein.

Nach der heutigen Führung über die Baustelle stellt sich Vorfreude ein, auch eine Sitzprobe auf den neuen Stühlen wurde schon einmal vorgenommen, allerdings nur etwa in halber „Bolero“-Länge, der Gesäßhärtetest kommt dann bei Bruckner 8 oder konzertanten Wagner-Aufführungen. Die Spannung steigt, die Bilder verheißen ein intensives Raumerlebnis, das natürlich noch in Licht, Klang und Atmosphäre seiner Fertigstellung harrt. Fest steht auch: die Rezensentenplätze sind bereits vergeben. Zugegeben: selten habe ich mich so sehr auf einen Arbeitsplatz gefreut.

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