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Das bessere Neue und das gute Alte

Foto: Koosinger | photocase.de
Foto: Koosinger | photocase.de

Ausgerechnet zum 30. Jahrestag seiner Wiedereröffnung ist die Semperoper ein Haus ohne Hüter. Und nicht mal der musikalische Hausgott kann zur Party aufspielen, denn die Sächsische Staatskapelle ist derzeit auf Reisen. Dass trotzdem eine redliches Fest zelebriert wurde, ist zahlreichen Mitstreitern zu verdanken.

Aus naheliegenden Gründen wurde der Geburtstag des Hauses nicht am Datum der Wiedereröffnung gefeiert, denn der 13. Februar ist Dresdens Tag, an dem der Zerstörung gedacht wird. Trauern und feiern, da wird strikt getrennt, also gab es den Festakt exakt zehn Tage später. Es wurde ein nobles Programm, in dem die Potentiale hauseigener Ensembles eine interessante Melange mit Gastkünstlern und Rednern eingingen. Dass ob der „guten Figur“ dieser Dreißigjährigen auch ein wenig Wortakrobatik zelebriert wurde – geschenkt.

Vor allem aber sollte der Semperoper selbst, die ja Dresden tagtäglich beschenkt – sei es durch ihren repräsentativen Schauwert als architektonisches Unikat, sei es durch ihre fast allabendliche Bühnenkunst – einmal ein verdientes Dankeschön überreicht werden. Wenn davon unterm Strich der Gedanke übrig bleibt, was für ein Schatz diese Stätte von Kunst und Kultur inmitten der Stadt darstellt, dann hätte der Abend seinen Zweck schon erfüllt. Bei zahlreichen Besuchern dürfte das Bewusstsein dafür ohnehin gegeben sein, denn nicht wenige von ihnen sind diesem Haus ganz offensichtlich schon seit Jahrzehnten verbunden.

Musikalisch ging es zunächst einmal an die Quellen des Musiktheaters von heute. Mit Kompositionen von Giovanni Gabrieli und Heinrich Schütz erklangen ganz frühe Vorreiter einer reichen Traditionslinie. Die Uraufführung „Des Herzens Vorhang. Die Bühne zwischen Welt und Spielzeug“ rundete das zeitliche Spektrum ganz gegenwärtig ab. Komponiert von Johannes Wulff-Woesten, Studienleiter des Hauses, wies dieses frühlingszarte Stück Musik doch einige Reminiszenzen an Vergangenes auf. Was nicht nur daran lag, dass die eindrucksvoll von Christa Mayer interpretierte Vokalpartie auf einer Elegie von Rainer Maria Rilke gründete. In kultivierter Hingabe woben Mitglieder der Staatskapelle den Klangboden dazu.

Tiefschürfendes bot das französische Raschèr Saxophon Quartett mit Musik von Jay Schwartz und Hector Berlioz. Zu historischen Bildern der „alten“ Semperoper vor und nach ihrer Zerstörung meinte man, Flugzeuggeschwader hören zu können. Mit ergreifender Stimme sang die Mezzosopranistin Christina Bock zu den vier Saxofonen und bot so vielleicht das Schlüsselwerk zum Verständnis dieser doppelten Feierstunde. Nach drei von William Forsythe choreografierten Pas de deux zu Luciano Berios Violin-Duetten setzte der ohrwürmelnde Jägerchor aus Carl Maria von Webers „Freischütz“ den Schlussklang dieser Eloge auf die Oper. Der neue Chordirektor Jörn Hinnerk Andresen leitete die Herren des Staatsopernchores recht vielversprechend. Absolut überzeugend auch die sechs Ballettsolisten in ihrer Einstudierung von Thierry Guiderdoni.

Informativ war der Vortrag von Niels-Christian Fritsche, der die heutige Semperoper mit ihrem Vorgängerbau verglich und zu dem Schluss kam, dass dem guten Alten ein besseres Neues gefolgt sei. Der TU-Professor für Darstellungslehre setzte damit dem verstorbenen Architekten Wolfgang Hänsch ein verdientes Denkmal.
Dass der Panoramakünstler und Architekt Yadegar Asisi ebenfalls einen Festvortrag hielt, mochte zunächst überrascht haben, war in seiner humanen Botschaft jedoch überaus stimmig und wurde von einer beeindruckenden Pantomime des einst in Dresden studierenden Weltbürgers gewürzt. Er gab dem „Geburtstagskind“ Semperoper drei Wünsche mit auf den weiteren Weg: Nachwuchs gewinnen, mehr Uraufführungen bieten, um neben der Tradition auch die Klassiker der Zukunft zu finden, und den Staats-Titel im Namen ablegen, statt dessen mehr auf Inhalt zu setzen. Das Haus solle künftig noch viel mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken.