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Eine Insel für Richard Strauss

Ute Bachmaier, Peter Diebschlag, Kazuhisa Kurumada, Stephanie Krone, Hagen Erkrath, Andreas Petzold (Foto: Hagen König)

Die Landesbühnen Sachsen wollen mitfeiern, wenn es etwas zu feiern gibt. Im Richard-Wagner-Jahr 2013 wagten sie sich an »Das Liebesverbot« des Leipziger Dichter-Komponisten, zum Richard-Strauss-Jahr 2014 betreten sie wiederum Neuland und trauen sich was mit »Ariadne auf Naxos«. Kann das gut gehen, Wagner und Strauss vor den Toren von Dresden, wo beide Richards doch bis heute als Hausgötter von Semperoper und Staatskapelle gelten?

Wagners »Liebesverbot« war ein ziemliches Wagnis. Bei »Ariadne« wollte man auf Nummer Sicher gehen und setzte in der Regie auf Annette Jahns. Versprach ihr für die Musik eine Einheitsbesetzung des Orchesters. Also der Zwangselbfusionslandphilharmonie. Kurz vor der Premiere wurde dieses Versprechen relativiert. Es sollte nun eine „nahezu“ gleichbleibende Besetzung des sich immer noch finden müssenden Klangkörpers geben.

Auch bei den Sängerinnen und Sängern wurden für die gerademal fünf Folgevorstellungen, eine davon als Gastspiel in Villach, sehr unterschiedliche Rollenverhältnisse aufgestellt. Die am 6. April besuchte Vorstellung – keine Premierenbesetzung! – erwies sich als durch und durch Strauss-tauglich. So empfehlens- wie hörenswert. Auf der Bühne waren (wenn auch nicht bis zum Schlussapplaus) Intendant und Oberspielleiter, im Graben (und zum wohlverdienten Beifall dann auch darüber) der Musikchef des Hauses, Jan Michael Horstmann. Der in eigenartiger Doppelfunktion als Musikalischer Oberleiter und Operndirektor engagierte Orchesterchef erwies sich als bestens präparierter Sachwalter des Strauss'schen Erbes. Er koordinierte den frisch zwangsvereinten Klangkörper akkurat und entlockte ihm dennoch den unentbehrlichen Schmelz, er ließ es bei Bedarf auf mal knallen und bedachte auch da die engen Grenzen des Hauses. Lediglich für die stringente Befolgung seiner Tempomaßgaben sollte er sich mit einer Zusatzportion Durchsetzungsvermögen wappnen. Strauss steht und fällt nun mal mit der einheitlichen Auslegung von Einsatz und Zeit.

Für das Theater im Theater – die Oper in einem Aufzug hat noch ein Vorspiel und soll dann auf Geheiß eines reichen Mäzens bestelltes Musiktheater und Komödie gleichzeitig stattfinden lassen – hat Regisseurin Annette Jahns überzeugende Lösungen gefunden, die das räumlich Beengte der Landesbühnen beinahe vergessen machen. Da sie einst an der Semperoper selbst in zwei »Ariadne«-Produktionen als Sängerin mit dabei war, kommt ihr die gründliche Stückkenntnis sicher zugute (so ganz selbstverständlich ist das leider ja nicht mehr). Dem Vorspiel setzt sie noch ein Vorspiel voran – und erfindet die Rolle des Grafen, der im Libretto von Hofmannsthal das ganze Stück in Auftrag gegeben hat, sich selbst aber zurückhält. Hausherr ist Hausherr, also mimt Manuel Schöbel den Grafen und weist seinen Oberspielleiter Peter Kube als Haushofmeister (mal sächselnd, mal versuchsweise wienernd) an, den doppelten Theaterabend rechtzeitig zum Feuerwerk über die sprichwörtliche Bühne gehen zu lassen.

Darüber ist der junge Komponist natürlich konsterniert – Patrizia Häusermann mit markant herrischem Ton spielt das so hinreißend, dass man beinahe fürchtet, sie bzw. er bricht das Spiel im Spiel tatsächlich ab. Dann wären wir nicht nur um Ariadnes langes Leiden gebracht worden, das Stephanie Krone mit erstaunlicher Stimmgewalt zelebriert, nicht nur um Guido Hackhausens Kraftakt, den Bacchus-Part bis fast zum Schluss gut auszufüllen, sondern vor allem um die Zerbinetta von Ute Bachmaier, die in dieser Vorstellung als ganz gewitzte Komödiantin gastierte.

Das Radebeuler Ensemble ist mit dem Anspruch, einen eigenen Beitrag zum Strauss-Jahr zu leisten, gewiss an die Grenzen geraten. Unter dieses Niveau sollte es nun nicht mehr zurück. »Ariadne auf Naxos« war hörenswert, hatte Witz und wirkte an keiner Stelle peinlich. Neben den frischen Ideen von Annette Jahns haben dazu sicherlich auch die Puppenspieler-Tricks von Dirk Neumann beigetragen, der die Harlekinade der Komödianten noch einmal im Zwergenmaß spiegelte. Vor allem aber ist auch Ulrike Kunze für geschmackvolle Einfälle zu danken, deren Ausstattung die Dekadenz des Gastgebers in die originale Kriegszeit gefügt hat. Die Inselsituation von Naxos kann daher nur in einer Traumwelt stattfinden, im Bett. Und das k.u.k. Wien hat noch einmal sein Feuerwerk bekommen, bevor die Welt von gestern ringsherum zusammenbricht.

Termine: 12., 18. April, 4. Mai im Stammhaus Radebeul sowie am 29. April in Villach