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Raritäten, Raritäten

Dmitri Schostakowitsch auf der Opernbühne, da fallen einem meist nur „Lady Macbeth von Mzensk“ und deren Überarbeitung zu „Katarina Ismailowa“ sowie „Die Nase“ und das Fragment „Der Spieler“ ein. Dass der russisch-sowjetische Meister auch eine veritable Operette verfasst hat, ist – mangels Aufführungen derselben – weitgehend unbekannt. „Moskau, Tscherjomuschki“, so heißt diese 1958 herausgekommene „musikalische Komödie“, wurde zuletzt zwar vor knapp zwei Jahren von der Berliner Staatsoper an deren Ausweichspielstätte im Schillertheater herausgebracht, einen nachhaltigen Durchbruch errang das Werk damit jedoch nicht.

Das könnte jetzt anders werden, denn nun inszeniert mit Christine Mielitz eine genaue Schostakowitsch-Kennerin und eine bekennende Ausdeuterin des Musiktheaters als Einheit von Noten und Text. Sie hat etwa die „Lady von Macbeth“ in Wien inszeniert und stieß damit vorab auf einige Voreingenommenheit. Ob sowas denn sein müsse, wurde sie angesichts der erwartbaren Grausamkeiten im Opernplot gefragt. Natürlich müsse das sein – die einzig richtige Antwort.

Auch „Moskau, Tscherjomuschki“ musste wohl sein. Die Premiere am heutigen Freitag wurde kräftig gefeiert. Zu Recht, denn das Stück ist ein Feuerwerk aus musikalischen Einfällen mit genial verarbeiteten Zitaten russischer Volksmusik und sowjetischer Revolutionslyrik. Sie vermahlt und vermählt Belcanto mit Avantgarde, sie übt – in der sogenannten Tauwetterperiode leistete Schostakowitsch sich das – Zeitkritik mit pointierten Hieben auf diktatorische Missstände und menschliche Unreife. Eine lohnende Überraschung!

Am Sonntag schon geht es weiter mit einer Rarität des diesjährigen Jubilars Richard Strauss. Die Musikwelt begeht am 11. Juni bekanntlich dessen 150. Geburtstag, da hat Dresden natürlich ganz besondere Verpflichtungen. Schließlich sind hier neun Strauss-Opern uraufgeführt worden! Die Sächsische Staatskapelle galt schon damals als besonders leistungsfähig, um sich diesen Herausforderungen als bestens präpariert zu stellen.

Mit der neuen „Elektra“ unter Christian Thielemann hat sich das ja erst kürzlich einmal mehr unter Beweis gestellt, nun soll das Frühwerk „Guntram“ drankommen. Es sei noch sehr von Wagner geprägt, räumt Gastdirigent Omer Meir Wellber vorab ein, zeige aber auch schon das künftige Potential von Richard Strauss. Der israelische Musiker verspricht sich – und uns – von den drei konzertanten Aufführungen eine Entdeckungsreise mit großem Hörgenuss. Als durch und durch überraschender Künstler wird Wellber wenig später die Wiederaufnahme von „Ariadne auf Naxos“ und dann mit Andreas Kriegenburgs Neuinszenierung von „Così fan tutte“ den Auftakt zu einem gemeinsamen Mozart-Da-Ponte-Zyklus dirigieren.

Da kommt ganz schön was zusammen, nicht? Nach den Aufregungen der vergangenen Tage – Schorlemer schasst Dorny, Wagners Katharina verzichtet in Bayreuth künftig auf ihre Halbschwester – sollte Gelegenheit sein, sich einmal ganz den musikalischen Raritäten zu widmen.

In diesem Sinne ein schönes Wochenende!
Herzlich, bis nächsten Freitag –

Michael Ernst