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Mal wieder tief durchatmen

Eine federleichte Stimme, verspielt-kluge Arrangements, vielseitige Instrumentationen, die auch über den Tellerrand einer üblichen Bandinstrumentation hinwegsehen. Texte mit einer packenden Tiefe, ein mitreißendes Schwingen in unbeschwerten Gesangslinien, ein musikalisches Portrait mit vielen kleinen, natürlich gereiften Farbtupfern. Aus Becca Stevens Songs entweicht die Sehnsucht nach dem Leben in einer zarten Eigendynamik, die ansteckt, und nach mehr verlangt. Authentisch, glaubwürdig, spannend – wie beim Durchbrechen der Wasseroberfläche nach einem langen Tauchgang spürt man in dieser feingliedrigen, kristallinen und doch weichen Musik die Lust, wieder und tiefer einzuatmen, und entspannter loszulassen. Und bis zum Schluß zuzuhören. 

Fotos: Matthew Murphy

So fluffig, wie die bis ins Detail gestalteten Gesangslinien aus Becca Stevens Mund strömen, kann nur das alltägliche Luftholen sein. Der Zuhörer erlebt sie mit einer angenehmen Tiefe. Die gesungenen Geschichten scheinen dabei wie ein ungezwungenes Gespräch ohne Blatt vorm Mund zu fließen. Als würde das junge Mädchen auf der Bühne nicht im Rampenlicht, sondern auf der Couch sitzen. Neben ihrer besten Freundin, mit der sie ihre frühe Kindheit in North-Carolina verbracht hat. Oder teilt sie sich das Sofa mit dem jungen Mann, den sie so sehr in ihr Herz geschlossen hat, daß sie für ihn ganz im Namen von Usher ihren boyfriend verlassen möchte. Vielleicht sitzt Becca Stevens auch allein, und hörbar träumend in ihrer Schaukel, und genießt die scheinbare Schwerelosigkeit von Weightless.

Auf alle Fälle erlebt der entspannte Zuhörer in ihren Songs mehr Perspektiven auf das Leben, als man vielleicht selbst im Alltag je wahrgenommen hat. Die Qualität der abgerundeten Arrangements ist es allerdings, die den Musikliebhaber am meisten fesseln wird. In den Songs passieren Brüche, verschwinden Beats, tauchen Kontraste auf, ohne dass man sie als geschaffen erfühlt. Glaubt man den Ohren, die sich schnell im Strom der Musik davontragen lassen, passieren sie einfach, als wären sie das natürlichste auf der Welt. Wie ein Atemzug, der natürlich fließt. „Musikmachen ist für mich so natürlich wie das Atmen, und ebenso unabdingbar“ erklärt die Wahl-New-Yorkerin Becca Stevens auf ihrer Homepage. „Musik ist für mich ein Anker in meinem Leben, eine der wenigen Konstanten. Es ermöglicht mir, Inhalte zu vermitteln, die durch Worte nicht faßbar sind, und auf einer sehr persönlichen Ebene zu kommunizieren, sogar mit Leuten, die ich nicht kenne.“

Und Musiker aus aller Welt haben diese Gabe erkannt, und mit ihr auf der Bühne oder im Studio „geatmet und kommuniziert“. Dazu zählen nicht nur Brad Mehldau, Esperanza Spalding, Taylor Eigsti und das Travis Sullivan´s Bjorkestra (mit dem sie seit 2004 mit der überzeugenden vokalen Interpretation von Björks Musik im Bigbandgewand brilliert). Auch die Jazzgröße Kurt Elling ist von ihrem Talent überzeugt, und hat sie in einer Radiosendung zu seinen fünf Lieblingsjazzsängerinnen gezählt.

Heute abend wird Becca Stevens jedenfalls auf der urigen Dresdner Bühne im Jazzclub Tonne zu Gast sein, und mit ihrer Band für einen besonderen Abend sorgen. Wer Lust darauf hat, mal wieder so richtig tief durchzuatmen und zu großartiger Musik im Jazzclub zu entspannen, sollte sich allerdings beeilen. Es gibt nur noch wenige Karten zu ergattern.