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„Das Streben nach Macht bremst die Kreativität“ – Jan Vogler über den »Empire«-Jahrgang der Dresdner Musikfestspiele

Jan Vogler, in diesem Jahr ist „Empire“ das Thema. Mit einem Cover, das eine typische britische Telefonzelle zeigt… Vor kurzem erst haben die jungen Telefon-Verrückten vor den Apple-Shops gezeltet, um das neueste Gerät zu erharschen, und jetzt kommen Sie hier mit so einer alten Zelle an. Da müssen Sie schon erstmal erklären, was es damit auf sich hat.

Intendant Jan Vogler und ein Cello… Welches wohl? (Foto: Mat Hennek)

Es gibt wahnsinnig viele einprägsame Symbole für Großbritannien, und die Telefonzelle fanden wir gerade aufgrund ihrer doch eher antiquierten Ausstrahlung besonders passend. Generell verbinden die meisten Großbritannien nicht unbedingt mit Fortschrittlichkeit: Es ist in vielerlei Hinsicht eine traditionsbewusste Welt. Die Briten haben Werte, die auf Jahrhunderten ruhen, die Monarchie und die Queen selber sind ja da das beste Beispiel. Deshalb fanden wir die Telefonzelle in dieser Weite ein schönes Bild.

Es wird aber wohl der letzte Jahrgang sein mit einem geographischen Thema?

Es ist eigentlich schon jetzt nicht mehr der geographische Fokus, der uns interessiert hat, sondern eher der philosophische Aspekt unseres Schwerpunktes. Wir präsentieren natürlich die großen musikalischen Stimmen aus Großbritannien, aber wir schauen uns auch sehr genau die Idee des Empires an. Eigentlich sind alle Länder, die nach einem Empire strebten, gescheitert, auch England. Nach der frühen kulturellen Blüte zu Zeiten von Shakespeare und Purcell klafft eine große Lücke bis zur Spätromantik – erst durch Elgar erlangt die britische Musik wieder Weltruf. Zu diesem Zeitpunkt ist das Empire aber schon lange zusammen gebrochen, und England wieder mehr auf sich konzentriert. Ich glaube, dass dieses Streben nach Macht und das Führen von Eroberungskriegen die Kreativität extrem bremst. Das gilt nicht nur für Großbritannien, auch für andere Nationen: Wenn man Kriege führt, zerstört man das Klima, in dem sich Kreativität entwickelt.. Insofern geht es auch darum, die Idee des Empires nachzuvollziehen, die ja hoffentlich in der Geschichte der Menschheit erledigt ist, hoffentlich!

Ein sehr vielfältiger Jahrgang. Beim Durchblättern habe ich viele ungewöhnliche und interessante Programme gefunden – und auch bemerkt: Dieses Jahr beginnen die Dresdner Musikfestspiele in Berlin.

Genau. Unser Anliegen ist es, Dresden mit der Welt zu verbinden –auch im Namen der Stadt Dresden und des Freistaats Sachsens. Wir wollen die Dresdner Musikfestspiele international ausstrahlen lassen, ohne dabei die Dresdner zu vergessen. Ganz im Gegenteil – wir wissen sehr wohl, dass unser Besucherstamm hier aus Sachsen stammt und uns sehr, sehr treu ist. Aber wir wollen auch die Festivalbesucher nach Dresden locken, die nach Salzburg, Luzern oder Edinburgh gehen. Dabei ist so ein Berlin-Gastspiel natürlich hilfreich: Wir erreichen damit nicht nur die Berlinern, sondern auch die Leute, die zum Wochenendbesuch in der Hauptstadt sind, und dort die New York Philharmonic erleben können – denn das ist, glaube ich, in dieser Zeit auch für Berlin ungewöhnlich. Wir möchten also mit diesem Gastspiel auch auf die anderen Veranstaltungen in Dresden aufmerksam machen – denn dieses Konzert ist Teil einer Residency. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass dieses fabelhafte Orchester für drei Konzerte zu den Festspielen kommt. Inklusive dieses Berlin-Abstechers, dem Eröffnungskonzert in der Semperoper und einem Konzert in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen.

Auch der britische Humor kommt nicht zu kurz: Das Ukulele Orchestra of Great Britain (Foto: Paul Campbell)

Eine sehr private Frage: Sie haben vor kurzem Ihren "musikalischen Partner" gewechselt – das Cello! Das neue Instrument ist auch bei den DMF 2013 zu hören. Sie spielen zwei Konzerte… 

Ja, pro Saison ist das das Maximun. Mehr „Einmischung“ durch den Intendanten, fände ich nicht gut. Wenn ich gar nicht spielen würde, würde ich mich aber auch komisch fühlen – schließlich kommen meine ganzen Musikfreunde aus aller Welt nach Dresden, da kann ich nicht still da sitzen. Man möchte sich gleichermaßen „in Gefahr begeben“ und sich wie die Kollegen auf der Bühne behaupten müssen.

In diesem Jahr spiele ich „Schelomo“ von Ernst Bloch, das ich erstmals in den 80er Jahren in Jena aufgeführt habe. Das war damals recht schwierig, denn ein Stück mit Bezug zu Israel und zum Judentum war in der DDR nicht so leicht aufführbar. Ich finde es nach wie vor faszinierend, wie darin die Geschichte des König Salomon erzählt wird. Das zweite Stück, das ich während der Musikfestspiele spielen werde, handelt auch von einem berühmten Helden, Don Quichote, und schlägt den Bogen zum spanischen Empire.

Einige Künstler sind mir persönlich besonders aufgefallen, zum Beispiel das Ukulele Orchestra of Great Britain.

Der berühmt britische Humor darf bei einem solchen Programm natürlich nicht fehlen. Ich habe das Ensemble erstmal in der Carnegie Hall in New York erlebt, wo es den ganzen Saal zum Kochen gebracht hat. Mit einer gewissen Bodenständigkeit, die man ja auch mit England verbindet, bereichern sie das Programm um eine weitere Note der englischen Aufführungskultur. Die ist in London tatsächlich einzigartig, wenn man sich das Niveau der Orchesterlandschaft ansieht. Für mich sticht dabei das Philharmonia Orchestra London mit seinem Chefdirgenten Esa-Pekka Salonen besonders heraus.

Zum Schluss würde ich gern noch einen Blick auf das Abschlusskonzert werfen… Da tritt ein Künstler auf, den ich sonst aus ganz anderen musikalischen Welten kenne. 

"Für Rufus kommen die Fans von überall her…" (Foto: Barry J. Holmes)

Rufus Wainwright ist so eine Art Papagei in der Szene zwischen Klassik, Pop und Jazz. Er ist hoch gebildet, unglaublich fantasiebegabt und ein Songwriter mit Weltruhm… Zu uns kommt er mit einem Projekt, das auch zwischen den Genres schwebt und daher sicherauch für ein jüngeres Publikum besonders interessant ist. Und nicht nur das: Ich glaube, für Rufus kommen die Fans von überall her. Sie verständigen sich ja onehin über Facebook und andere soziale Netzwerke ständig und so verbreiten sie die Nachricht von diesem besonderen Konzert hoffentlich sehr schnell.

 

Dresdner Musikfestspiele 2013
Motto: »Empire«
11. Mai – 2. Juni 2013

Kartenverkauf online über www.reservix.de, Tel. 0351 65606-700 oder im neuen Besucherservice der Musikfestspiele, Weiße Gasse 8, 01067 Dresden (Mo bis Fr: 10 – 19 Uhr, Sa: 10 – 18 Uhr).