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Farce um Forsythe

Wollen sie sich nicht entscheiden oder können sie sich nicht entscheiden, die gewählten Damen und Herren im Dresdner Stadtrat? Soll die Forsythe-Company in Hellerau bleiben oder nicht? Ich kann es nicht glauben: im Oktober erst wollen die Damen und Herren ein Urteil fällen. Sie, die ja wohl wegen ihrer besonderen Kompetenzen gewählt wurden – und genau die lassen sie plötzlich vermissen. Was ist denn los, möchte man fragen? Es war doch seit Jahren bekannt, dass die Verlängerung des ansteht. Plötzlich aber scheint alles ganz neu. Man wisse nicht genau, man müsse prüfen, man müsse sogar noch ein unabhängiges Gutachten einholen… Wer soll das denn noch bezahlen?

Immerhin, es geht um 1,5 Millionen Euro, zusätzlich um knapp 200.000 Euro für die Unterkunft der Company wenn sie in Dresden ist, sei es zu Gastspielen oder auch in seltenen Fällen, um in der Dresdner Residenz eine neue Arbeit zu kreieren, die dann von hier aus um die Welt geht und hoffentlich Dresdens Ruf als Zentrum des modernen Tanzes in dieselbe trägt.

Als Mitglied des Stadtrates bekommt man doch sicherlich Frei- oder Ehrenkarten, als Mitglied des Kulturausschusses sowieso. Also müsste es doch selbstverständlich sein, dass in den zurückliegenden Jahren jeder Rat und jede Rätin wenigstens einige der Produktionen gesehen und sich Eindrücke verschafft hat von dem was da geschieht, auf Dresdens grünem Hügel der Moderne, unter der Leitung des Choreografen William Forsythe.

Es müsste doch möglich sein, einen Standpunkt zu haben

Und selbst wenn es nicht alle der erwählten Damen und Herren geschafft haben sollten, außerhalb der vergüteten Sitzungszeiten ihr Ehrenamt auch mal im Hellerauer Festspielhaus auszuüben – dann müssten sie sich doch verlassen können auf die fachliche Kompetenz der Mitglieder des Kulturausschusses, die aufgrund ihrer besonderen Befähigungen mit einem solchen Amt betraut wurden. Dann müsste es doch möglich sein, den Rechnern und ihren verlässlichen Zahlen gegenüber Stellung zu beziehen und vor allem einen Standpunkt zu haben in der Diskussion, ob es Sinn macht, immer wieder die Frage nach dem Wert der Innovation in der Kunst am Taschenrechner beantworten zu wollen. Es wirkt ja derzeit geradezu kleinkariert, wenn nach Jahren auffällt dass es unter Umständen auch günstiger geht mit den Aufenthalten, dass es kostengünstigere Unterkünfte in Dresden gibt, solange die zunächst in Aussicht gestellten und seitens der Company auch eingeplanten Möglichkeiten auf dem Gelände des Festspielhauses nicht zur Verfügung stehen.

Hat sich eigentlich wirklich jemand richtig für Forsythe interessiert?

Noch seltsamer mutet es an, wenn die Vertagung der Entscheidung bis in den Oktober damit begründet wird, dass man ja im Prinzip zustimmen wolle, aber erst noch prüfen lassen müsse, wie denn die Zusammenarbeit Forsythes mit Dresdner Schülerinnen und Schülern stattgefunden habe und zu bewerten sei. Was da wann stattgefunden hat, dürfte nicht so schwer zu ermitteln sein; wie es gelaufen ist, hätten sicherlich verantwortliche Lehrer mitteilen können; Berichte von Schülerinnen und Schülern wären vor Ferienbeginn auch möglich gewesen.

Also stellt sich doch die Frage, ob sich außer den kühlen Rechnern wirklich jemand so richtig interessiert hat dafür, was Forsythe in Dresden macht, und wen das außerhalb Dresdens interessiert. Selbst im Hinblick auf die Einbindung der Finanzierung Forsythes in das Gesamtwerk des Hauptstadtkulturvertrages musste der Kulturbürgermeister Nachhilfe geben. Somit kommt ein peinliches Signal aus dem Dresdner Stadtrat: Hausaufgaben nicht erledigt, Prüfung nicht möglich; Zeit gewinnen, um dann alles beim Alten zu belassen. Vielleicht ein Schulprojekt mehr, kostengünstigere Quartiere und vielleicht etwas mehr Kommunikationsbereitschaft seitens der Forsythe-Company, wenn es um die Ankündigungen ihrer Produktionen geht.

Wie aber müssen sich da eigentlich die Künstler vorkommen? Immerhin sind hier Stadträte am Werk, denen es um den Ruf Dresdens als Kulturstadt geht. Gehört die Kultur des Umganges nicht auch dazu? 

Herzlich bis Montag; dann sicherlich mit guten Nachrichten aus Hellerau. Morgen stellen achtzehn Absolventen der Palucca Hochschule für Tanz dort ihre Examenschoreografien vor; ich bin für Sie dabei.

Boris Gruhl