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„Die perfekte Beherrschung eines Instruments garantiert heute keine Karriere mehr“

Sie ist immer so erfolgreich wie ihre Künstler: die Agentin Tanja Dorn (Foto: PR)

Frau Dorn, Agenten arbeiten im Musikgeschäft hinter den Kulissen. Was machen Sie eigentlich?

Ein guter Manager baut Karrieren auf. Eigentlich zu jedem Zeitpunkt in einer Karriere empfinde ich es als meine Aufgabe, darüber nachzudenken: wo will der Künstler in zehn, zwanzig Jahren hin? Mich interessiert diese Knochenarbeit: bis der Veranstalter einen jungen Künstler wirklich sieht, sind schon viele Stunden mit der Erarbeitung von Strategien, telefonieren und dem Zusammenstellen von Pressematerialien vergangen.

Wie funktioniert das alltägliche Zusammenspiel eines Künstlers mit seinem Manager? Bis wann dürfen Sie abends anrufen?

Ich bin dazu da, um dem Künstler den Kopf freizuhalten, damit er sich vollkommen auf seine Musik konzentrieren kann. Was Konzertanfragen betrifft stellt sich immer die Frage: passt dies oder jenes gut in den Kalender? Das ist ein Riesen-Puzzle. Die meisten "meiner" Künstler haben Kinder und Familie, so wie ich auch. Trotz aller Nähe ist es wichtig ein Stück weit distanziert zu bleiben, sonst kann man den Künstler nicht mehr optimal beraten. Der Blick von Außen ist mir immer sehr wichtig. Da ich fast alle “meine” Künstler weltweit vertrete, erstreckt sich meine Arbeit über mehrere Zeitzonen. Ich telefoniere daher meist bis spät in die Nacht hinein mit Orchestern und Veranstaltern in Nord-/ Südamerika. Sie können mich daher alle sehr spät erreichen und gerade nach einem Konzert ist meist eine gute Gelegenheit, wichtige Dinge zu besprechen.

Sie vertreten renommierte Künstler wie Sir André Previn, Arabella Steinbacher, Kristjan Järvi, Marc Minkowski, Christian Zacharias oder Jan Vogler, aber auch unbekannte Nachwuchskünstler. Wie helfen Sie denen, in die Konzertkarriere einzusteigen?

Unsere Aufgabe ist es, am Anfang den richtigen Leuten eine CD oder ein paar Youtube-Links zu schicken. Den Künstler daruber hinaus mit dem für ihn richtigen CD Label zusammenzubringen und wichtige persönliche Beziehungen für den Künstler zu erarbeiten. Ich muss dafür genau wissen, wonach der Veranstalter sucht. Wenn ich sein Vertrauen genieße, kann ich sagen, "Den müsst ihr einladen!" So kann ich auch unbekanntere Namen empfehlen. Das Standing des Managers wächst mit seinen Künstlern; sie sind wie eine Visitenkarte.

Wie sieht diese Arbeit praktisch aus?

Ich bin ständig dabei, den Veranstalter über meine Künstler upzudaten. In einer perfekt geplanten Karriere ist das richtige Timing des jeweiligen Engagements alles! Wann man wo welches Debut spielt, ist absolut entscheidend.

Und was verdient ein guter Agent dabei?

Sie denken bestimmt, Manager haben immer nur Dollarzeichen in den Augen. Was stimmt, ist: ich bin immer so erfolgreich, wie mein Künstler erfolgreich ist. Ein Manager finanziert sich aus Kommissionen, und da ist ein Künstler am Anfang seiner Karriere schon erst mal ein großes Investment. Er braucht vier bis fünf Saisons, bis für die Agentur der "break even" erreicht ist. Trotzdem sind wir bei IMG Artists sehr am Aufbau von Karrieren interessiert, das war seit unserer Gründung vor fast 30 Jahren etwas, was uns definiert hat und was uns auch in der Zukunft extrem wichtig ist.

Viele Künstler, die heute erfolgreich sind, können erste Preise in internationalen Wettbewerben vorweisen. Auch wenn die Wege in die Karriere sicher vielfältiger geworden sind: sind Agenten auf Wettbewerben präsent?

Bei den wichtigsten sind wir auf jeden Fall präsent oder haben Vertraute, die uns während des Wettbewerbs über interessante Kandidaten informieren. Aber heute spielen die großen Wettbewerbe nicht mehr dieselbe Rolle, die sie vor 20 Jahren gespielt haben.

Würden Sie einem Musikstudenten, der eine Solistenkarriere einschlagen möchte, heute immer noch den Weg über Wettbewerbe empfehlen?

Natürlich gibt es hin und wieder Wettbewerbsgewinner, aber es sind einfach zu viele Wettbewerbe geworden. Es ist besser, mit Managern zu reden, Empfehlungen zu bekommen. Natürlich können wir nicht die ganze Welt beraten. Aber wenn mich jemand fragt, dem ich vertraue, dann mache ich das gern. Oder einfach mal am Telefon zu reden, Aufnahmen durchzuhören …

Die geeignete "Vermarktung" eines Künstlers scheint für seine Karriere immer wichtiger zu werden. Versuchen Sie auch mal, dem Künstler ein bestimmtes Repertoire schmackhaft zu machen, wenn es aus Ihrer Sicht förderlich für seine Entwicklung wäre?

Heutzutage garantiert die perfekte Beherrschung eines Instruments ja keine Karriere mehr. Es sind die Wiedereinladungen, die Künstler voranbringen. Wenn man den Markt abgegrast hat und keine Wiedereinladung erfolgt, steckt man fest. Und das ist auch sehr repertoireabhängig.

West trifft Ost, Klassik trifft Pop… (Foto: Archiv)

Jan Vogler trat vor einiger Zeit mit einem asiatischen Popstar in der Semperoper auf, sicherlich nicht zuungunsten der beiden Künstlerkarrieren in den jeweils anderen Märkten. Wo würden Sie da eine Linie ziehen, bevor der Markt die Oberhand über die Kunst gewinnt?

Wenn man seinen Beruf ernst nimmt, hat man eine Riesenverantwortung und muss sehr sorgfältig planen. Die Impulse für solche Ausflüge in andere Welten müssen immer vom Künstler kommen. Ich bin ja auch an möglichst langen Karrieren interessiert und nicht an schneller Vermarktung. Aber zugegeben, in diesem Markt ist Positionierung alles.

Wie beraten Sie einen Künstler konkret? Und in welchem Umfang?

Gerade bei jungen Leuten habe ich zum Beispiel auch eine fast erzieherische Funktion. Die erstreckt sich über ganz viele Themen: die Konzertkleidung oder den Umgang mit Veranstaltern, Journalisten und Labels. Als Manager muss man ein guter Diplomat sein. Und manchmal muss man den Künstler auch zu seinem Glück zwingen. Man arbeitet an allen Facetten eines Künstlers.

Einer "Ihrer" Künstler, Jan Vogler, hat sich neben dem Cellospiel zunehmend eigene Meriten als Veranstalter und Kulturbotschafter verdient. Ändert sich damit auch Ihr Verhältnis?

Jan Vogler hat sich über die Jahre zu einem der bedeutendsten Cellisten weltweit entwickelt. Als Manager frage ich mich: wo geht die Reise hin? Wofür steht er? Was er hier in Dresden macht, fällt ihm erstaunlich leicht; es ist faszinierend zu sehen, wie er das Cellospiel mit anderem verbindet und seine Arbeitsgebiete sich gegenseitig energetisieren. Es gibt nicht viele Persönlichkeiten, die beides schaffen. Aber er hat einen hervorragenden Instinkt.

Tanja Dorn ist Associate Director der Abteilung "Conductor and Instrumentalists" für Nord/Süd Amerika und Deutschland bei IMG Artists.