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Zähflüssiges Blut

Foto: MM

Ein "Oratorium für heitere Menschen" hatte der zweiunddreißigjährige Robert Schumann schreiben wollen; aber schon bei dieser Gattungsbezeichnung war er sich nicht ganz sicher. War das nun eine Oper oder eine "musikalische Dichtung", die 1843 im Leipziger Gewandhaus erstmals aufgeführt wurde? Das Werk mit dem Titel "Das Paradies und die Peri" erfordert einen sechsstimmigen, gemischten Chor, ein großes Orchester und sechs Solisten. Es erzählt die Geschichte der Peri, eines weiblichen Engels, die aufgrund eines sündigen Fehltritts aus dem himmlischen Paradies geworfen wurde. Nach dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre sammelt sie den Blutstropfen eines Freiheitskämpfers, den Seufzer einer sterbenden Jungfrau und die Träne eines reuigen Verbrechers, und erlangt damit die Erlaubnis, wieder durch die ewige Pforte schreiten zu dürfen…

Gelassene Heiterkeit ist in der Tat angeraten, wenn man die blumigen Texte hört, die Schumann gemeinsam mit einem Studienfreund aus dem Englischen übersetzte: "Und sieh, demütig betend kniet / Der Mann dort an des Kindes Seite. / Indes ein Sonnenstrahl auf beide, / Den Sünder und den Reinen glüht." Dass das Werk damals begeistert aufgenommen und bald allerorten gespielt wurde, mag man aus dem Zeitgeschmack heraus begreifen. Heute befremden holprige Zeilen wie "Denn heilig ist das Blut / für die Freiheit verspritzt vom Heldenmut" doch eher. Eine Wiederentdeckung kann also nur dann befriedigend gelingen, wenn die vielen stilistischen Feinheiten der Partitur ausgereizt werden und man die Peri auch als Probandin einer Studie in historischer Aufführungspraxis begreift.

Das jedoch misslang vor allem der Neuen Elbland Philharmonie. Das Orchester agierte unter der Leitung von Matthias Jung zu schwerfällig; manche Einsätze schleppten, und die Abstimmung mit den Solisten war nicht immer gegeben. Hier hätte es auch gegolten, mit bestimmten kompositorischen Unsicherheiten der Orchestrierung umzugehen. Gestalterisch hielt sich der Dirigent zu sehr zurück, obwohl die Partitur da mehr als genug Möglichkeiten böte. Ein Hornsolo bringt etwa das erlösende Zeichen: der Weg zu Allahs Thron ist errungen! Das Orchester und der gut sechzig Stimmen zählende Chor aus Sächsischem Vocalensemble, dresdner motettenchor und den Männern des Knabenchors Dresden verhingen trotzdem weiterhin halbherzig zwischen Mezzopiano und schroffem Forte; über den Höhepunkt des insgesamt dreiteiligen Werks ließ Jung etwas zu rasch wegmusizieren.

Die Organisatoren des Konzerts rufen übrigens zu Spenden auf, um einen "Schumann-Gedenkweg" anlegen zu können, der die Wirkungsorte des Künstlerpaares in und um Dresden verbindet und durch Medaillons markiert. Die erste Plakette wurde am Sonntag am Aufführungsort der "Peri", dem Palais im Großen Garten, angebracht.

Eine Textfassung des Artikels ist am 12. Juni in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

Informationen zum geplanten Gedenkweg: Anita Brückner, Tel. 0351 2683543, anita.brueckner@saechsisches-vocalensemble.de