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Statt Marketing

„IMs in die Produktion!“ Das war zwar einst ein kollektives Verlangen, angestimmt zumeist von Straßenchören, aber nichtsdestotrotz von vornherein so stupide wie die Moskauer Wiederwahl eines sächsischen KGB-Chefs. Die (ost)deutsche Produktion wurde bekanntlich noch schneller abgewickelt als die (gesamt)deutschen IMs enttarnt worden sind. Dass ich jetzt noch einmal daran erinnert werde, ist – keine Chor-, sondern Solo-Arbeit! – der Ausgeburt eines einzelnes Hirns zu verdanken. Es äußerte soeben ziemlich publikumswirksam das Verlangen nach MIs für Dresdens Stadtmarketing. Auf Fahrrädern – mit Anhänger!, denn so viel Service muss sein – sollen diese Mobilen Informanten Ansprechpartner für Touristen sein. Eine stationäre Tourist-Information gibt es nämlich in Dresden schon bald nicht mehr. Der Kulturpalast wird bekanntlich geschlossen, soll vielleicht sogar umgebaut und eventuell irgendwann wieder eröffnet werden, bis dahin muss „Alles raus!“ Schon mal gehört, diesen Slogan?

Dresdens sogenannter Kulturbürgermeister geht davon aus, dass die Ticket-Zentrale bis gegen Ende September im Kulturpalast arbeiten wird. Der unmittelbare Träger sieht das anders und will den Bürgertempel schon Ende August besenrein für die Bauleute haben. Eine Interimslösung für Kartenverkauf und Touristeninformation war wohl mal geplant, scheiterte an- und vorgeblich aber bislang an nicht auf den Weg gebrachten Umbauplänen dieser Ausweichstätte. Geheiligt sei die tagtägliche Nachtruhe im Rathaus von Dresden!

Apropos absurde Ideen: Macht doch IMs zu MIs, warum sollte das denn nicht funktionieren? Wo Merkels Jüngste darangeht, die lang genug von ihren fernöstlichen Fernsehgerätchen mit Dummenwerbung gegängelten Verkäuferinnen aus den schäbigsten und sich nun endlich als überflüssig erwiesenen Ersatz-Drogerien als geeignet für Kinderbetreuung zu halten, müsste das mit der geheimen Werbung doch auch aufgehen. Merkt sowieso niemand. Kostet aber richtig viel Geld. Macht Kasse und ist ganz große Klasse. Und da sie nun einmal so richtig von der Leine gelassen worden ist, will sie gleich noch das Handy-Verbot vom Lenkrad auf den Feierabend ausdehnen. Sieht da noch irgendwer durch?

Nicht alles, was töricht ist, wurde in Dresden erdacht

Wer darüber nun verzweifelt und sich gleichzeitig einmal wieder bewusst machen muss, dass aufgrund clever fundierter Vertragslagen ein fragwürdiger Tourismus-Chef nicht so einfach entsorgt werden kann wie beispielsweise ein Kraszewski-Museum (obwohl da ja grad wieder etwas polnische Hoffnung besteht), der darf auf schönes Wetter hoffen und sollte dann schleunigst nach Leipzig fahren. Denn dort setzt man auf steigende Temperaturen, jedenfalls am Opernhaus, das bekanntlich zu den am schlechtesten ausgelasteten Musentempeln deutschlandweit zählt. Wenn es nicht gar den absoluten Negativrekord hält.

Jedenfalls wollen die Nachlassverwalter von Wagner & Co. nun ausgerechnet an den heißesten Tagen des Jahres die Menschen ins Haus am Augustusplatz locken. Wie das gelingen soll? Natürlich nur über Geld, nicht über Inhalt. Über Inhalt läuft hierzulande schon lange nichts mehr. Sieht man doch an der Bankenkrise. Zum Beispiel. Oder am jüngsten Slogan des messestädtischen Musiktheaters: „Heiße Tage – coole Preise“. Was das bedeuten soll? Steigt das Thermometer mittags um zwölf auf 20 Grad Celsius, dann gibt es 20 Prozent Ermäßigung auf die Karte. Steigt es auf 30 Grad, dann sind es 30 Prozent. Noch Fragen? Dankeschön, setzen.

Leipzig gibt sich so frei von Inhalt wie Sachsens Landeshauptstadt. Bloß gut, dass es nicht so weit bis in die Bunte Republik Neustadt ist! Die nächste BRN startet heute. Ein Wochenende lang Ausnahmezustand vom ganz normalen Wahnsinn.

Alles Gute dafür und dann bis nächsten Freitag –

Michael Ernst