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Wilde Jäger

Foto: Boris Streubel

Artemis, die Göttin der Jagd, erkoren sich vier Musiker Ende der Achtziger als die Schutzpatronin ihres Quartetts. Anfang der Neunziger wechselten die beiden Geiger; Heime Müller und die damals gerade zwanzigjährige russische Geigerin Natalia Prischepenko kamen dazu. Pfeilschnell schoss die neue Formation Mitte der neunziger Jahre an die Spitze der internationalen Kammermusikszene, ihr vor Energie bebender Zusammenklang wurde Kult. Er blieb bis heute unverwechselbar, auch nachdem 2007 noch einmal zwei Mitglieder wechselten: Gregor Sigl ist nun die zweite Stimme, Friedemann Weigle steuert den erdig-satten Bratschenklang bei.

Am Dienstag waren die vier wilden Jäger im Palais im Großen Garten zu Gast und das Publikum sich hernach einig: ein Höhepunkt der diesjährigen Musikfestspiele, unbedingt!

Mit einem späten Haydn-Quartett und dem nachtfarbenen ersten Quartettwerk Béla Bartóks war schon vor der Pause ein weiter Bogen aufgespannt. Für ein freudig dahinflitzendes Presto hatte das Quartett die Sechzehntelnähmaschine schon mal angeworfen; Eckart Runge wob den ein oder anderen brachialen Cello-Akzent ein. Der leidenschaftliche "Allegro-Vivace"-Satz Bartóks, der in vielem dem Haydnschen Vorbild hinterherzujagen scheint und doch noch ganz andere Naturkräfte freizusetzen weiß, kostete weitere Bogenhaare; wie neunschwänzige Katzen sahen Sigls und Weigles am Schluß der wilden Jagd aus, während Natalia Prischepenko offenbar in weiser Voraussicht dieses Verschleißes gleich zum Zweitbogen aus Karbon gegriffen hatte.

Auch das "Rosamunde"-Quartett Franz Schuberts schien vor Energie schier zu bersten: hier spielten die Vier mit dynamischen Überraschungsmomenten, und steigerten im Schlusssatz mehr als einmal den Klang, bis er in einen metallisch strahlenden, mit einem Mal komplett vibratolosen Gipfelton mündete.

Mit ihren zahlreichen sozialen Engagements neben ihrer Lehrtätigkeit wären die Musiker übrigens neben Patricia Kopatchinskaja heiße Anwärter auf den MusikFestspielpreis, den letztes Jahr die Berliner Philharmoniker entgegennehmen durften. Am Freitag will der Intendant das gut gehütete Geheimnis endlich lüften.

Eine Textfassung des Artikels ist am 31. Mai in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.