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Fazit: Ungenießbar?

Es gab acht Stücke zeitgenössischer tschechischer Komponisten auf die Ohren, manchmal, ohne Rücksicht auf sensible Lauscher zu nehmen. Im Rahmen der Musikfestspiele Dresden kam das Ensemble „El Perro Andaluz“ (zu deutsch: Der andalusische Hund) ins Societaetstheater. Es sollte Prag als Musikmetropole vorstellen. Welche nun aber die angekündigten amerikanischen und japanischen Einflüsse sein sollten, blieb dem Zuhörer verborgen. Kein Wort, keine Erklärung dazu, außer einem dekorativen Bild; man wolle eine möglichst bunte Perlenkette aus verschiedensten tschechischen Schmuckstücken erstellen, so kündigte der Leiter des Ensembles, Lennart Dohms, an.

Foto: privat

Das Publikum bekäme außergewöhnliche und gewöhnliche Klänge zu hören. Wie sich herausstellte, sollten in diesem Konzert die gewöhnlichen Klänge zur ungewöhnlichen Seltenheit werden. Außer einem Handzettel, auf dem Jahrgang und Name der Komponisten und natürlich Werktitel vermerkt waren, saßen die Zuhörer einsam und allein vor dem Dargebotenen. 

Das erste Stück, komponiert von Michaela Plaschka, begann mit kratzigem, tonlosem Streichen auf den Violinensaiten. Die Geigerin Emily Yabe konfrontierte die Zuhörer mit Geräuschen, die man beim Üben blutiger Anfänger erwartet. Durch viele Pausen wirkte das Stück „Ordinary and extraordinary ways“ zerrupft, schmachtende kurze Melodiephrasen waren vorbei, bevor sie richtig bemerkt werden konnten. 

Tschechische Musik, so Dohms, sei gekennzeichnet durch Spielfreude und Theatralik. Beides war an diesem Konzertabend zu erleben. Im zweiten Stück, einem Trio für fünf Instrumente von Jan Rydar, beanspruchte jede Stimme für sich schon die volle Aufmerksamkeit. Nun spielten Querflöte, Klarinette und Violine gleichzeitig. Das Ergebnis war ein gezieltes Chaos aus tänzerischen Rhythmen, verrückten Melodien, die sich scheinbar unkoordiniert übereinander lagern, Instrumentenwechseln und immer mal einem erschreckend lauten und hoch gequietschen Flötenton. Wer diese Musik nicht kennt, hatte keine Chance, die Struktur zu verstehen, umso mehr war er allein gelassen, vermisste die Erläuterungen. Die Instrumentalisten dieses Ensembles sind unbedingt die gegenseitige Präzision und Verlässlichkeit angewiesen, wenn sie zusammen musizieren wollen, meisterten diese Hürde allerdings mit Leichtigkeit und – wie angekündigt – etwas Theatralik.

Und einfach war es sicher nicht, was es hier zu hören gab. Um für das Instrument gewöhnlich nicht vorgesehene Töne in Takt und Tongebung richtig zu spielen bedarf es schon begabte Musiker. Diese Kammermusik vermochte allen Anwesenden zu zeigen, dass es keine Grenzen gibt, dass Schlüsselbund und Trillerpfeife auch Musik machen können, dass mit den gespannten Saiten eines Kontrabasses noch lange nicht der bespielbare Teil des Instrumentes aufhört. 

Manchmal muss Musik eben anstrengend sein… Nicht alle Hörer hielten bis zum Ende durch (Foto: PR)

Nur: So richtig genossen hat im gestrigen Publikum niemand. Das ständige Erwarten völlig neuer Geräusche, die dem Innenohr oft wenig schmeichelten, schuf eine angestrengte Stimmung im Publikum. Deutlich war die Entspannung in vielen Gesichtern zu beobachten, sobald ein Stück zuende war.

Ein wenig amüsant und hörenswert war die unverwechselbare Interpretation eines Solo-Stückes von Jiøí Hlaváè, gespielt von Albrecht Scharnweber, der seine Klarinette entenähnlich quaken ließ, aber auch schöne dumpfe, vertrauenswürdige und schlicht angenehme Töne zauberte. Später gab es Sphärische Klänge aus dem Vibraphon, die obwohl etwas laut, schon fast überraschend normal waren. Sie ließen eine flirrende Atmosphäre entstehen. Im letzten Stück, komponiert von Ondřej Adámek, klang es, als wollten Jakob Andert am Cello und Konrad Hartig am Kontrabass, ein nahendes Motorrad zu imitieren. Sie knallten rabiat die Saiten auf den bemitleidenswerten Instrumentenkorpus und schlugen auf ihm schnelle Rhythmen. Einmal knackte der Kontrabasskorpus gefährlich, barst aber doch nicht und bald darauf setzten die Instrumentalisten zu mantraartigen – leider unverständlichen – Sprechchören an. Und ein Geräusch klang, als würde eine Biene einen Reißverschluss schließen. Mit einem dramatischen Ende entließ man die nur gut zwei Dutzend Zuhörer in den lauen Frühlingsabend. Abwechslungsreich, anspruchsvoll und andersartig war dieses Konzert. Und sicher nichts zum entspannten Zurücklehnen.