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Musik in Dresden – jetzt auch für Philatelisten

Pünktlich zum ersten März erklang einmal mehr der Ruf von der „Schönsten Frau der Welt“. Und er ging, erstaunlich genug, von Dresden aus. Oder war doch nur die „Schönste Briefmarke der Welt“ gemeint? Denn die ist postfrisch, wohingegen die darauf abgebildete Dame ein stattliches Alter von immerhin 500 Jahren aufweist.

Doch darüber spricht man nicht, sondern darf jubeln und froh sein, dass die 1512 in Auftrag gegebene „Sixtinische Madonna“ von Raffaello Santi seit nun schon mehr als der Hälfte ihres gemalten Daseins in Dresden zu Hause ist. Dem Bundesfinanzministerium war dies eine Sondermarke wert (Auflage: 3,34 Millionen Exemplare). Der sorbische Ministerpräsident würdigte dieses Postwertzeichen im Wert von 55 Cent gar als „Botschafterin Sachsens in der Welt“. Klingt das nicht auch wie Musik?

Wie auch immer, wir sollten wieder mehr Briefe schreiben als E-Mails. Stille Post wird woanders gespielt.

Noch bevor die hier schon vermeldete Strukturänderung von Sächsischer Staatsoper und Staatsschauspiel Dresden hin zum Verbund Sächsische Staatstheater in Kraft tritt, erklingt im Schauspielhaus mal wieder kraftvoll Musik. Und manchmal wird selbst im Musiktheater nicht nur gesungen, sondern von den Sänger-Darstellern auch richtig gutes Theater gespielt. Wolfgang Engels spannende Inszenierung „Der Meister und Margarita“ nach dem gleichnamigen Roman von Michail Bulgakow jedenfalls tischt mit einer ganzen Menge Schostakowitsch auf. Das gibt dieser Produktion zusätzlich Schwung und Energie, auch wenn die völlig verfremdete „Leningrader“ Sinfonie Nr. 7 hier nun im teuflisch besetzten Moskau aufspielt. Immer mal wieder gut für die Stimmungsmache sind auch Walzerklänge aus Schostakowitschs 1. Jazz-Suite sowie aus Chatschaturjans „Maskerade“. Das Stück ist eine wirkliche Empfehlung nicht nur für Kenner des Romans. Und noch ein Geheimtipp: Dank der Großzügigkeit des Intendanten gibt es die Chance, sich während des Theaterabends 50 Euro zu verdienen. Aber diese Chance gibt es nur für eine einzige Person, meistens wohl im Parkett.

Wer nicht so sehr an den schnellen Schein denkt, sondern an eine kulturvolle Zukunft der Kinder, dem sei das in allen Kinderstuben bestens bekannten Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“ empfohlen. Schließlich dürften wir alle einst um die himmelhoch schwankende Bettstatt gebangt haben, nicht? Aus diesem Märchen hat der 1887 in Wien geborene Komponist Ernst Toch frei nach Hans Christian Andersen eine kleine Oper verfasst, die er ganz bescheiden ein Musikmärchen nannte. Mit diesem Werk eines viel zu vergessenen Künstler (1933 floh er von Italien aus vor den Nazis nach London und ging wenig später nach Kalifornien, wo er 1964 starb) sollte Toch, der nach Kriegsende in Europa nie wieder die einstige Anerkennung fand, ein kleines Stück weit rehabilitiert werden. Es stünde diesem Wanderer zwischen später Romantik und formaler Freiheit eigentlich zu.

Musikhochschulrektor Ekkehard Klemm hatte die musikalische Leitung dieses Projekts der Jungen Szene an der Semperoper inne. Er war gut beraten, als er auf einen Ortswechsel von Semper 2 ins Hygiene-Museum bestand. Im dortigen Saal konnte sich der Orchesterklang prächtig entfalten, musste das aus Studiosi der Hochschule bestehende Orchester nicht bangen, die Expressivität des Musikmaterials dem Klangmulm zu opfern. Das Werk ist vital, voll Witz und Ironie, leider nur blieb die Textverständlichkeit auf der Strecke. Die Inszenierung von Manfred Weiß gelandg dennoch ziemlich charmant. Der Chef der Jungen Szene hat ganz spielerisch einen märchenhaften Hofstaat geschaffen, der dank ebenso farbiger wie bildhafter Ausstattung von Okarina Peter und Timo Dentler selbst beim jüngsten Publikum gut ankam. Alles ein bisschen überzogen, der königliche Meter-Bart, der Höhen-Dutt seiner Königin, der auslegbare Putzfimmel der Dienerschaft.

Das kleine Öperchen persifliert in Anspielungen auch Fremdenphobie und übertriebenen Hygienewahn; wie passend zu diesem Ort. „Die Prinzessin auf der Erbse“ wird noch bis zum 4. März im Hygiene-Museum gezeigt.

Ebenfalls nur Samstag und Sonntag gibt es Gelegenheit, Anton Bruckners selten zu hörende „Nullte“ Sinfonie bei der Dresdner Philharmonie sowie Felix Mendelssohn Bartholdys „Italienische“ in der revidierten Fassung von 1834 zu hören. Dimitri Kitajenko dirigiert das Orchester, auch dies eine unbedingte Empfehlung.

Die Sixtina dürfte ihre Freude an diesem musischen Angebot haben.

Bis nächsten Freitag –
Michael Ernst