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Landesbühnen-Orchester: „Drohszenarien“ sind belastend

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Tillich,
sehr geehrter Herr Landrat Steinbach,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wendsche,
sehr geehrter Herr Verwaltungsratsvorsitzender Früh,

seit dem Beschluss des Landtags vom 15. Dezember 2010, der unter anderem auf die Privatisierung der Landesbühnen Sachsen zielt, herrscht an unserem Theater große Verunsicherung.

Besonders belastend ist aus Sicht der Beschäftigten, dass weiterhin Drohszenarien wie die Einstellung des Vorstellungsbetriebs im Stammhaus bei Nichtbeteiligung der Stadt Radebeul an der Finanzierung oder auch die Schließung ganzer Landesbühnensparten im Umlauf sind. Dabei schieben sich die politisch Verantwortlichen schon jetzt gegenseitig den „Schwarzen Peter“ zu, sollte eine dieser Varianten tatsächlich umgesetzt werden.
Die Beschäftigten wissen nicht, wohin die Reise geht und obwohl zahlreiche Arbeitsgruppen tagen und verschiedene Szenarien diskutiert werden, bleibt unsere Zukunft weitestgehend unklar.

Insbesondere kritisieren wir, dass der Freistaat einen Finanzrahmen und einen Zeitplan für den von ihm erwünschten Veränderungsprozess vorgibt, die einen so ungeheuren Handlungsdruck erzeugen, dass ausführliche Diskussionen über die zukünftige Struktur kaum möglich sind.

Order vom Landeshirten: die Radebeuler Herde soll verkleinert werden. Gleichzeitig erwartet er mehr Wolle – also die kulturelle Versorgung der Fläche… Sieht so nachhaltiges Wirtschaften aus? (Grafik: A.W.)

So soll eine Intendantenstelle besetzt werden, ohne dass zum Zeitpunkt der Stellenausschreibung bekannt war, wie die zukünftige Struktur des Theaters aussehen soll. Sozial verantwortungslos und künstlerisch unsinnig wirken die Bestrebungen, das eigene Orchester der Landesbühnen Sachsen aufzulösen und stattdessen zukünftig die Neue Elbland Philharmonie mit dem Musiktheater der Landesbühnen zusammenarbeiten zu lassen. So kann weder die vom Freistaat geforderte kulturelle Grundversorgung in der Fläche erreicht noch die künstlerische Vielfalt erhalten werden. Ein solch radikaler Einschnitt bedeutet stattdessen Qualitätsverlust, Quantitätsverlust und Effizienzverlust – das kann nicht im Interesse eines tragfähigen Landesbühnenkonzepts liegen und wird eines der effizientesten Theater Deutschlands nachhaltig schädigen!

Wo liegt der Sinn? Was sagt uns das über die Arbeit der größtenteils hinter verschlossenen Türen tagenden Arbeitsgruppen? Sollen diese lediglich die vom Freistaat womöglich längst beschlossenen Strukturvorgaben bestätigen?

Wer sich im Eilverfahren von seiner Mitarbeiterschaft trennen will, indem er sie auf private Gesellschaften überleitet und Stellen streicht, der muss auch an seine Fürsorgepflicht gegenüber den eigenen Arbeitnehmern erinnert werden.

Schicken Sie nicht hochqualifizierte und mit überwiegend sächsischen Ressourcen ausgebildete Menschen in die Arbeitslosigkeit, die für den Freistaat Sachsen jene Zukunft verkörpern, die wir nur gemeinsam zum Wohle unseres Landes gestalten können.

Doch gesetzt den Fall, eines der Szenarien – z. B. die als Fusionierung bezeichnete Ausgliederung und Auflösung des Orchesters der Landesbühnen – würde Wirklichkeit, ist Ihnen als Verantwortung tragende Politiker wirklich bewusst, welch einschneidende Folgen dies z. B. für die Kinder- und Jugendarbeit haben wird? Wer musische und ästhetische Bildungsangebote reduziert, der treibt die Ökonomisierung der Gesellschaft voran und beraubt unser Gemeinwesen dauerhaft des Zusammenhalts, den kulturelle Werte für unsere Gesellschaft in unverzichtbarer Form vermitteln. In allen Talkshows dieser Republik wird darüber geklagt, dass Eltern angesichts des ökonomischen Drucks und der von ihnen erwarteten Bereitschaft zu ständiger Mobilität die für ein friedliches Zusammenleben unverzichtbaren Werte nicht mehr in notwendigem Maße vermitteln können. Wo also sollen neben Schulen und Sporteinrichtungen die vielbeschworenen Werte vermittelt werden, wenn nicht in Musikschulen, Theatern und Orchestern?

Auch die Kooperation mit den Hochschulen, insbesondere jener in Dresden, wird von einer Zerschlagung des Landesbühnenorchesters betroffen sein. Wer als Student regelmäßig mit den Fachleuten eines Theaters zusammenarbeiten kann, der gewinnt unschätzbare Erfahrungen für seine eigene künstlerische Zukunft. Die voraussehbaren Einschnitte würden Dresdens Musikhochschule um einen bedeutenden Standortfaktor ärmer werden lassen.

Die Theater sind für uns alle als Ort der kritischen Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit, und damit einer ideologiefreien Wertevermittlung, unerlässlich. Vor wenigen Tagen erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann: „Können wir uns eine so umfangreiche, öffentlich finanzierte kulturelle Infrastruktur in Deutschland weiterhin leisten? Brauchen wir sie alle, die 150 Theater, aber auch die 130 Orchester, die die öffentliche Hand finanziert? Meine Antwort ist eindeutig: Ja! Es ist die Kultur, die unser Wertefundament bildet, es sind die Künste, die uns zum Reflektieren ermuntern. …“

Wer diesen kulturellen Schatz nicht bewahrt, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht nur geschichtsvergessen zu handeln, sondern eines der Alleinstellungsmerkmale des Freistaats, ein unvergleichlich vielgestaltiges kulturelles Angebot, leichtsinnig aufs Spiel zu setzen.

Auch uns sind die Zwänge der öffentlichen Haushalte bewusst, umso mehr fordern wir Sie auf:

Gehen Sie aufeinander zu.
Sprechen Sie miteinander über mögliche Lösungen.
Handeln Sie sozial verantwortungsbewusst.
Beteiligen Sie uns als Beschäftigte mehr als bisher am Gestaltungsprozess.

Hochachtungsvoll

 

Steffen Hoyer 
Personalrat der Landesbühnen Sachsen

Carsten Heyder
Orchestervorstand der Landesbühnen Sachsen