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Peter Konwitschny macht alles anders

So machen es alle? Alle Frauen sind untreu? Und Männer sind sowieso anders? Schon Wolfgang Amadeus Mozart ist mit diesem witzig gemeinten Spätwerk auf das Libretto von Lorenzo da Ponte seinerzeit mächtig angeeckt. Zu derb, zu frivol soll der vermeintliche Witz gewesen sein. Gut möglich, dass sich so manche künstlich hochgehaltene Fassade in diesem bewusst überdehnten Konstrukt gespiegelt sah und das Scheinbild nicht mehr behaupten konnte?

In Konwitschnys „Così“-Inszenierung wird nun die Geschlechtertreue durchdekliniert, ist der Provokateur Don Alfonso ein diabolischer Meister, dem nach und nach die eigenen Fäden arg durcheinandergeraten. Auch seine Verbündete, das Hausmädchen Despina, sieht nicht mehr klar, nachdem es in diverse Rollen als Arzt und Notar schlüpfen musste und schlussendlich einsehen muss, dass da ein emotionaler Scherbenhaufen angerichtet worden ist. Unkittbar, das alles.

Soldatische Deppen… (Fotos: Andreas Birkigt)

Ist das noch ein Lustspiel? Eingangs scheinen die soldatischen Deppen Ferrando und Guglielmo von der Treue ihrer hübschen Verlobten so überzeugt, dass sie sich auf das bösartige Spiel gar nicht erst einlassen wollen. Doch nach und nach schlägt der Spaß um und wird reichlich bitter. Da ist kaum noch was Hintergründiges, sondern viel Puppentheater und noch mehr Klamauk.

Leipzigs Chefregisseur Peter Konwitschny hat mit dieser Wiederaufwärmung seiner Berlin-Produktion ein laues Vergnügen auf die sächsische Bühne gebracht. Sein Ausstatter Jörg Kossdorff hat für ein farbsattes Bühnenbild gesorgt, in dem die Maßstäbe versetzt scheinen und die agierenden Menschen zu sich selbst überschätzenden Kleinstwesen inmitten von wattewölkiger Umgebung mutieren, wo Pflanzenmotivik an die Naivität einen Henri Rousseau erinnern. Die Kostüme von Michaela Mayer-Michnay setzen da noch eins drauf und stilisieren vor allem die schönen Schwestern Dorabella und Fiordiligi zu affektierten Püppchen. Denen von männlicher Gegenseite freilich peinliche Verkleidungskünste in Unterwäsche und Raubtierfell geboten werden. Unerotischer geht es kaum noch.
Diese „Così fan tutte“ wird, das ist den Traditionen der Komischen Oper geschuldet, in deutscher Sprache gesungen. Das modifizierte Libretto von Bettina Bartz und Werner Hintze strotzt allerdings vor witzig gemeinten Plattitüden, obendrein dehnt diese fast strichlose Fassung teils bis an die Grenzen der Erträglichkeit. Über den Abend verteilt, werden einige typische Stilmittel eingesetzt, die von Peter Konwitschnys früheren Inszenierungen bekannt sind. Da gibt es das aufflammende Saallicht, das die Betroffenheit aller Anwesenden suggerieren soll, da gibt es Texttafeln, die Achtungszeichen setzen, aber leider nur gegen die musikalischen Abläufe poltern, da gibt es die scheinbaren Relativierungen von Groß und Klein im Bühnenbild und schließlich auch wieder eine Unterbrechung im Stück. Don Alfonso hat die Fäden geknüpft und kann sie nicht mehr entwirren.

Die Sache mit der Treue ist da aber sowieso schon hinüber, der Chor tratscht über Fehltritte und muss sogar eine Schwangerschaft in seinen Reihen als Seitensprungs-Früchtchen entlarven. So machen es alle. Und auch die Regie bleibt sich nicht treu, sondern stelzt Schritt für Schritt ins Irgendwo zurück.

Letztendlich biederer Durchschnitt. So tun’s alle.

So bleibt von dieser Premiere einer aufgewärmten Inszenierung nur die musikalische Seite hervorhebenswert. Denn was das Gewandhausorchester unter der Leitung von Gastdirigent Andreas Stoehr da geleistet hat, war durchaus beachtlich. Dramatisch bis ins Detail, klarsichtig auch in großen Bögen, nie kleinteilig zerrissen. Und die Sängerbesetzung verdient fast durchweg Applaus: Soula Parassidis und Jean Broekhuizen brillieren als Fiordiligi und Dorabella, sie singen und spielen so betörend, dass manche inszenatorische Talfahrt gekonnt überbrückt werden konnte. Auch Morgan Smith und Norman Reinhardt als Guglielmo und Ferrando sind darstellerisch wie vokal höchst präsent und leisten sich keine Schwächen. Der Alfonso von Dietrich Henschel ist ohnehin durchweg teuflisch gelungen. Die Despina von Young Hee Kim allerdings ist ob ihrer schrillen Töne schon während der Aufführung ausgebuht worden, sie hat sich immerhin bis zum Finale selbstbewusst wacker geschlagen.

Aber sollte denn vom einstigen „Opernhaus des Jahres“ nicht endlich mal wieder mehr zu erwarten sein als biederer Durchschnitt? Brave Leistungen gibt es auch anderswo.

Aufführungen: 7. April, 14., 25. Mai, 29. Juni 2011