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Porzellanpuppen im Ballett

Eine gewagte These: Wer beizeiten im heimischen Speisezimmer mit stilvollem Geschirr konfrontiert wurde, Meissener Porzellan etwa, bekommt einen dauerhaften Bezug zu den schönen Dingen des Lebens. Roberta Guidi di Bagno denkt gern an die zaubervollen Gegenstände, mit denen sie in ihrem Elternhaus in Rom aufwuchs. Ästhetischer Anspruch zeichnet denn auch ihre künstlerische Arbeit als Kostümbildnerin und Designerin für Bühne und Film aus. Dresdens Ballettomanen erinnern sich an „Der Widerspenstigen Zähmung“, „Giselle“, „Don Quichotte“, „Chopiniana“ …
Nun ist sie zurück, um die Premiere von Léo Delibesʼ Puppen-Zauber-Ballett „Coppélia“ mit passenden Kleidern und Dekorationen zu versehen. Natürlich stammen aus ihrer Hand „nur“ die Entwürfe dazu. Aber sie schwärmt von deren Umsetzung: „Ich bin immer wieder von den Talenten an der Semperoper fasziniert. Jeder Maler, jeder Skulpteur, alle Schneiderinnen und Schneider – einfach meisterhaft!“

Porzellanene Coppelia: Leslie Heylmann (Foto: Matthias Creutziger)

Insbesondere die Arbeiten der Kostümdirektorin Frauke Schernau und des Technischen Produktionsleiters Arne Walther hebt die Italienerin hervor: „Ich habe an vielen großen Häusern gearbeitet, doch was die Qualität betrifft, ist Dresden eines der besten!“ Schwärmen auch über die Company, die sie als „jung, frisch und hochmotiviert“ schätzt. Ein Stück wie „Coppélia“, das nun von Balanchine-Kennerin Judith Fugate in dessen auf Marius Petipa basierender Choreografie einstudiert wird, sieht sie beim Semperoper-Ballett gut aufgehoben.

So gut, dass für Signora di Bagno der Gedanke an die eigene Porzellansammlung und Dresdens Nähe zu Meißen zusammentrafen. In „Coppélia“ gehe es nun einmal um eine Puppe, begründet sie, und Puppen seien früher aus Porzellan gewesen. „Was lag also näher als der Gedanke an eine fantastische Teeparty?“, fragt die international renommierte Ausstatterin. Und liefert die Antwort gleich selbst, verweist auf ihre faszinierenden Entwürfe. „Bei dieser Geschichte wirkt vieles sehr unreal, Coppélius hat als Macher ja alle Macht, also können auch meine Ideen frei in ein Design ufern, das sehr offen ist – und dann doch ganz konkret dieses bekannte Zwiebelmuster auf die Bühne bringt.“ Ein einziger Blick in die Proben überzeugt. Roberta Guidi di Bagno ist eine Zauberin, die sich gern inspirieren lässt, um daraus Inspirationen für die beteiligten Künstler sowie für das Publikum zu schaffen. So wird neben Meissener Mustern auch italienische Kunst im Bühnenbild wirken. Wer je im neapolitanischen Kloster Santa Chiara gewesen ist, wird sich erinnern. Und wer noch nicht da war, will das Original womöglich nach einem Besuch von „Coppélia“ sehen.
Roberta Guidi di Bagno, deren Kreationen auch Dutzende Filme zierten, hat sich seit Jahren ganz der Bühne verschrieben. „Hier bin ich selbst verantwortlich, stehe im direkten Kontakt zu den Mitwirkenden, ob das nun Sänger oder Tänzer sind.“ Das gebe ihr Freiheit beim Arbeiten, sei aber stets auf die Vorgaben der Musik bezogen. „Beim Film ist der Designer einer von vielen, im Theater können meine Emotionen im Glücksfall das ganze Ensemble anstecken.“ Freilich sei Ballett immer eine besondere Herausforderung, es müsse genug Tanzfläche bleiben und kein Kostüm dürfe beengen. Für Tänzer sei die eigene Haut nun mal der wichtigste Rahmen.

Der Römerin di Bagno ist das Ballett „Coppélia“, das auf eine Erzählung von E.T.A. Hoffmann zurückgeht, eigentlich fremde Erzählwelt, doch ihre früheren Arbeiten in Dresden haben sie für sächsische Geschichte(n) begeistert. Und so schaut Coppéliusʼ Werkstatt mit illusionistischem Sandstein dann auch ein klein wenig nach Meißner Weinkellern aus. Zufall? Oder geheimnisvolles Zusammentreffen von Stimmungen, Ahnungen? Das bleibt offen, doch Roberta Giudi di Bagno verrät: „Wenn ich an eine neue Arbeit gehe, auch bei bekannten Stücken, höre ich die Musik gründlich an und mache mir Gedanken, was das Publikum erwarten könnte, wenn der Vorhang aufgeht.“ Damit verbunden sei natürlich, was sie selber in diesem Moment zu sehen erwarte. „Ich versuche bei jedem Werk sehr respektvoll zu sein. Oft überlege ich, was dessen Schöpfer, würde er leben, selbst sehen wollte. Natürlich will da jeder was Neues.“
Erst kürzlich hat sie das Neue und Unerwartete an der Mailänder Scala bedient. Francesco Ventriglia, inzwischen Direktor von Maggio Danca Florenz, choreografierte zu Musik von Schostakowitschs „Leningrader“. Für di Bagno ein ganz besonderes Wagnis, Gedanken an Krieg und Opfer auf die Bühne zu bringen.

Coppélius wollte den perfekten Menschen schaffen, Böttger sollte wie einst Rumpelstilzchen goldene Schätze zaubern. Entstanden ist das „Weiße Gold“. Die Geschichten sind bekannt, nun werden sie miteinander verwoben. Auch Coppélius wagt sich in die Welt des Porzellans, der Ausstatterin Roberta Guidi di Bagno und der gepflegten Tischsitten ihrer römischen Herkunft sei Dank.

„Coppélia“ – Premiere am 5. Februar
Einführung am 3. Februar, 10.30 Uhr
www.semperoper.de

 

Eine Textfassung des Artikels ist am 2. Februar in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.